Kommissar Morry - Das Phantom
leidliche Geschichte wird Gras gewachsen sein!"
„Jonny, du glaubst doch selbst nicht daran, daß dieser Morry die Suche nach dem Mörder dieses Cops aufgeben wird. Da alle Welt nun mal glaubt, ich hätte dieses idiotische Verbrechen begangen, muß ich zusehen, daß ich etwas über den wahren Täter in Erfahrung bringe. Wenn es mir nicht gelingt, bin ich geliefert. Früher oder später!"
„So, auf Menschenfang willst du aus. Und wo willst du bei deiner Suche anfangen?" Voller Sarkasmus war in seiner Frage.
„Dort, wo der Mörder seine Taten ausgeführt hat, in Poplar und Limehouse", war Mat Heflins kurze und mit Nachdruck ausgesprochene Antwort. Einen Augenblick fühlte sich Jonny Stievenson versucht, seinen Freund niederzuschlagen, um ihn von seiner verbohrten Idee abzuhalten. Dann sah er ein, daß sich Mat Heflin weder durch gutes Zureden noch durch Gewalt von diesem Vorhaben abhalten lassen würde. Eine kleine Pause trat ein und legte sich drückend in den Raum. Jonny Stievenson zeigte sich hiernach wiederum als wahrer Freund.
„Sure, Mat, wenn du glaubst, in diese finstere Gegend von Limehouse nach dem Manne suchen zu müssen, der dir die ganze Chose eingebrockt hat, so wirst du ein zweites Augenpaar auf deinen Schleichwegen nicht abschlagen."
„Jonny, ich werde es müssen", brachte Mat Heflin mit bewegter Stimme heraus. „Ich kann es nicht zulassen, daß du dich meinetwegen in weitere Gefahren begibst."
„Nun halt' mal langsam die Luft an", wurde Jonny Stievenson leicht ärgerlich. „Wenn nach Limehouse gegangen werden muß, dann gehen wir gemeinsam, basta! Nun Schluß mit dem Palaver! — Jetzt wollen wir erst einmal sehen, was der Onkel für Sachen mitgebracht hat. Mit leerem Magen durch die stinkigen Gassen von Limehouse laufen, das soll nicht gut sein. Ein Päckchen nach dem anderen begann Jonny Stievenson auszupacken, und Lebensmittel aller Art häuften sich auf dem Tisch. Entwaffnet und keiner Regung fähig, sah Mat Heflin dem weiteren Treiben dieses einmalig selbstlosen Menschen zu. Ein Mensch, der sich sein Freund nannte und doch mehr als nur ein Freund war. Eine Mutter konnte sich nicht rührender um ihr Kind bemühen.
„Steh' nicht so saublöd da herum und starre mich nicht wie ein weiteres Weltwunder an", riß Jonny Stievenson scherzhaft den völlig Abwesenden in die Wirklichkeit zurück. „Hilf mir lieber, daß wir bald etwas zu beißen bekommen. Mein Inneres hängt schon so weit heraus, daß ich bei jedem Schritt achtgeben muß, nicht darauf zu treten."
Ohne viel weitere Worte zu machen, bereiteten sich die beiden Männer ihr Mahl. Es war zwar nicht zu vergleichen mit einem Gedeck eines first Class Hotel, doch schien es den beiden vorzüglich zu schmecken. Nicht ein Happen blieb auf ihren Tellern zurück. Nach dem Essen rekelte sich Jonny Stievenson behaglich in die Couchecke und steckte sich, nachdem sich Mat Heflin ebenfalls bedient hatte, einen Glimmstengel in den Mund.
„So, mein Junge", begann er, als dünne Rauchfahnen ihrer Zigaretten gegen die Decke stiegen, „hast du dir inzwischen überlegt, wo wir mit der Suche nach unserem Fellow anfangen sollen?"
„Yeah, Jonny. — Wir werden unten am Lime Kiln Dock anfangen. Dort kenne ich von früher einen Mann, der uns vielleicht weiterhelfen kann."
„Okay, machen wir deinem Bekannten einen Besuch. Hoffentlich kann er uns einen Wink geben, in welcher Richtung wir ihn finden können."
„Wenn ich allein mit ihm spreche und er etwas wissen sollte, wird er es mir schon sagen."
„Gut, du wirst dann allein mit ihm reden und ich werde ständig in der Nähe sein. Für alle Fälle!"
Noch wenige Minuten bespachen sie einige Einzelheiten ihres Unternehmens und wie sie sich eventuell bei einer plötzlich eintretenden Gefahr verhalten würden, dann traten sie in den dichten Nebel der einbrechenden Nacht hinaus.
Als sie nebeneinandergehend in die Grange-Road einbogen, um durch einen Tunnel zum nördlichen Themseufer zu gelangen, ahnte Jonny Stievenson nicht, daß er keine vier Stunden später diesen Weg allein zurückgehen würde. Allein von der Rothehithe-Station der Underground Railways, mit der er und Mat Heflin die Rückfahrt aus Limehouse angetreten hatten.
*
Noch ein anderer Mann benutzte zu dieser Stunde die Underground Railways. Kommissar Morry. Seinen Wagen hatte er den ganzen Tag über nicht gebraucht. Er stand in der Garage des Sonderdezernats und fühlte sich recht wohl. Sein Getriebe wurde nicht wie das einiger
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