Kommissar Morry - Die Woelfe
allein, Mr. Farrington“, bat er mit schwacher Stimme. „Ich bin das Leben hier noch nicht gehöhnt. Ich muß mich erst wieder zurechtfinden. Bleiben Sie bitte heute Nacht hier!“
„Hier?“, fragte William Farrington stirnrunzelnd.
„Dieser Diwan“, sagte Sidney Romer, „kann mit einem einzigen Handgriff in ein bequemes Bett verwandelt werden. Es wird Ihnen an nichts fehlen. Ich lasse Ihnen morgen früh von einem Etagenkellner das Frühstück servieren. Sie verlieren also keine Zeit.“
„Na, meinetwegen“, brummte William Farrington schließlich. „Ich habe Sie aus Tootham herausgeholt, nun muß ich mich auch weiterhin um Sie kümmern. Aber Sie gehen jetzt sofort schlafen, verstanden.
Sidney Romer gehorchte. Er begab sich in sein Schlafzimmer. Da er in seiner Trunkenheit unfähig war, sich auszukleiden, warf er sich angezogen auf sein Bett. Es war kein Schlaf, in den er versank, sondern die bleierne Besinnungslosigkeit eines schweren Rausches. Er wußte nicht, wie lange er geschlafen hatte, als er plötzlich einen wüsten Lärm aus dem Wohnzimmer hörte. Irgendein Möbelstück mußte polternd umgestürzt sein. Kurz nachher erklang ein dumpfer, gurgelnder Schrei. Man hörte Türen schlagen und einen erstickten Hilferuf. Dann legte sich eine lähmende Stille über die Wohnung. Das plötzliche Schweigen war noch unerträglicher als der Lärm. Sidney Romer taumelte mit brüchigem Gestammel von seinem Lager auf. Er hastete auf die Wohnzimmertür zu und legte die Hand auf die Klinke.
„Hallo, Mr. Farrington!“, rief er furchtsam. „Was ist denn? Geben Sie Antwort!“
Als hinter der Tür alles still blieb, mußte er wohl oder übel das Zimmer betreten. Es kostete ihn alle Kraft. Er hatte kaum die ersten Schritte in das hellbeleuchtete Zimmer getan, da blieb er auch schon wie angewurzelt stehen. Der Rauchtisch war umgestürzt, Asche, Zigarren und Streichhölzer lagen in wüstem Durcheinander auf dem Teppich. Der Diwan, auf dem der Rechtsanwalt gelegen hatte, war leer. Von den weißen Kissen zeichneten sich rote Flecken ab. Auch das Leintuch war mit Blut besudelt.
„Hallo, Mr. Farrington!“, schrie Sidney Romer gellend auf.
„Was ist denn geschehen? Wie konnten Sie mich so im Stiche lassen?“
Er wußte in seiner Erregung wieder einmal nicht, was er tat. Er lief zum Telephon, wählte die Nummer Scotland Yards und ruhte nicht, bis man ihn mit der Privatwohnung Inspektor Lawrences verband.
„Hallo, Sir!“, keuchte er atemlos in die Muschel. „Kommen Sie sofort hierher! Es ist ein neues Unglück geschehen. Ich weiß mir allein nicht mehr zu helfen.“
Er legte den Hörer auf und wanderte dann ruhelos durch die leere Wohnung. Von William Farrington fand er nirgends eine Spur. Die Tür zum Flur war ordnungsgemäß verschlossen. Wäre nicht die Verwüstung im Wohnzimmer gewesen, so hätte er wahrhaftig geglaubt, der Alkoholrausch würde ihm gespenstische Bilder vorgaukeln.
Er kehrte wieder zum Diwan zurück und starrte beklommen auf die zerwühlten Kissen nieder. Mit dem Zeigefinger tippte er vorsichtig auf die dunkelroten Flecken. Klebrig und zäh haftete die Nässe an seiner Haut. Es war Blut. Jeder Zweifel war ausgeschlossen. Sidney Romer fand keine Erklärung für das seltsame Geschehen. Er atmete erlöst auf, als es draußen an der Tür pochte. So schnell war er noch nie in den Flur gelaufen.
„Gott sei Dank!“, murmelte er, als er Inspektor Lawrence vor der Tür stehen sah. Hinter ihm hatte sich der Nachtportier aufgebaut. Der brave Mann blickte verstört auf seinen Chef.
„Schon wieder etwas passiert, Sir?“, fragte er mit erschreckten Blicken.
„Gehen Sie nach unten“, sagte Sidney Romer erschöpft. „Wir brauchen Sie hier nicht.“
Er führte Inspektor Lawrence in das Wohnzimmer und zeigte ihm die Unordnung, die offensichtlich von einem Kampf herrührte. Interessiert blickte Inspektor Lawrence auf die ausgedehnten Blutflecken.
„Erzählen Sie!“, befahl er kurz. „Wer hat hier gelegen?“
Sidney Romer berichtete in abgerissenen Worten. Sein Rausch war nun beinahe verflogen. Der Schreck und die panische Aufregung hatten ihn ernüchtert.
„Er kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben, Sir“, stammelte er zum Schluß. „Wohin ist er denn verschwunden? Wissen Sie keinen Rat?“
„Haben Sie die Nummer des Anwalts hier?“, fragte Inspektor Lawrence rasch.
„Ja, Sir! Sie finden sie auf einer Tafel über dem Telephon. Wollen Sie etwa bei Mr. Farrington anrufen? Das hat
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