Kommissar Morry - Die Woelfe
urteilen, wenn ich Ihre Krankenpapiere aus der Anstalt Tootham angefordert habe. Vielleicht kommen Sie Ende der Woche wieder, Mr. Römer! Ist es Ihnen recht?“
„Mir ist alles recht“, stieß Sidney Romer rau hervor. „Wenn ich nur wieder gesund werde. Ich möchte endlich dieses Netz aus Lug und Trug zerstören, verstehen Sie? Das aber kann ich nur, wenn ich wieder bei vollen geistigen Kräften bin.“
Der Abschied verlief kurz, aber herzlich. Sie vereinbarten den Freitag als nächsten Termin. Zum ersten Mal fühlte sich Sidney Romer etwas getröstet. Er war viel ruhiger als zuvor. Er brachte es sogar fertig, das Hotel Astoria durch den Haupteingang zu betreten und im Speisesaal I Platz zu nehmen. Der Geschäftsführer, die Kellner und Serviermädchen tänzelten beflissen um ihn herum. Sie lasen ihm jeden Wunsch von den Augen ab. Sie bedienten ihn zuvorkommend und ehrerbietig. Es gab nichts an ihrem Benehmen auszusetzen.
Dennoch war Sidney Romer ehrlich erleichtert, als er gespeist hatte und den Saal wieder verlassen konnte. Er fuhr mit dem Lift in seine Wohnung, legte sich im Salon auf ein Ruhesofa und sinnierte vor sich hin. Stundenlang lag er so. Düstere Gedanken wanderten wieder durch sein Hirn. Er verbohrte sich in gespenstische Vorstellungen. Qualvoll pulste der Schmerz hinter seinen Schläfen. Erst am Abend kam er endlich zu einer Entscheidung. Er ging zum Telephon und rief den Rechtsanwalt William Farrington an. Die Verbindung war sofort da, aber Sidney Romer brauchte merkwürdig lange, bis er einen Anfang fand. „Ich muß mit Ihnen sprechen, Sir“, brach es schließlich aus ihm hervor. „Bitte kommen Sie hierher! Sie müssen mir erklären, was sich gestern Nacht zugetragen hat. Wenn Sie wirklich nicht in meiner Wohnung waren, muß ich annehmen, daß ich verrückter bin als je zuvor.“
Ein leises Lachen am anderen Ende der Leitung. Dann die ruhige Stimme William Farringtons. „Nehmen Sie es nicht so schwer, Mr. Romer! Ich bin in spätestens einer Stunde bei Ihnen. Haben Sie bitte solange Geduld. Ich kann mich Ihnen dann den ganzen Abend widmen.“
Sidney Romer legte mit einer ratlosen Gebärde den Hörer auf. Es war einfach unvorstellbar, daß ihn gerade dieser Mann belügen sollte, der soviel für ihn getan hatte. Andererseits mußte er unbedingt in der vergangenen Nacht hiergewesen sein. Woher hätte er, Sidney Romer, sonst die Adresse Dr. Vanmerens gehabt. Inspektor Lawrence hatte sich mit eigenen Augen davon überzeugen können. Und das Blut auf den Kissen des Diwans war ja schließlich auch nicht wegzuleugnen gewesen.
Sidney Romer gab es auf, über die vielen unerklärlichen Rätsel nachzudenken. Er mußte warten. Vielleicht konnte ihm William Farrington behilflich sein, die verworrenen Ereignisse aufzuhellen. Es wurde acht Uhr abends, bis William Farrington endlich erschien. Er sah müde und abgekämpft aus. Ein schwerer Arbeitstag lag hinter ihm.
„Wir wollen es uns gemütlich machen“, schlug er vor. „Setzen wir uns an Ihre Hausbar. Ich trinke Whisky und Sie Soda-Wasser, einverstanden?“
Der heitere, unbefangene Ton machte Sidney Romer vollends verwirrt. Immer wieder blickte er in das vertraute Gesicht seines Anwalts. Und immer wieder dachte er, daß er sich unmöglich getäuscht haben könnte. William Farrington war mit keinem anderen Mann zu verwechseln. Sie schwangen sich auf die gepolsterten Barhocker und tranken einen Pernod zusammen. Schon nach dem ersten Schluck schob Sidney Romer das Glas weit von sich.
„Ich muß heute enthaltsam bleiben“, sagte er tonlos. „Der Alkohol bekommt mir nicht. Ich sehe es ein. Den ganzen Tag schon habe ich unerträgliche Schmerzen im Hirn. Ich werde nachher zwei starke Tabletten nehmen und frühzeitig Schlafengehen.“ „Recht so“, lobte William Farrington väterlich. „Das ist besser, als wenn Sie literweise den Alkohol in sich hineinschütten. Inspektor Lawrence erzählte
mir heute früh, daß Sie sinnlos Betrunken waren. Nur so ist es zu erklären, daß Sie behaupteten, ich sei bei Ihnen zu Besuch gewesen. Sie müssen sich besser zusammennehmen, Mr. Römer. Sonst sehen Sie noch heute Nacht weiße Mäuse durch Ihr Schlafzimmer tanzen.“
Sidney Romer sinnierte eine Weile vor sich hin. Dann hob er plötzlich den Kopf.
Es hatte an der Außentür geklopft. „Moment mal“, murmelte er hastig. „Ich werde nachsehen. Vielleicht ist es Dr. Monck. Er wird sich nicht so ohne weiteres verdrängen lassen wollen.“
Er tappte mit
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