Kommissar Morry - Lautlos kommt der Tod
verwirrt, „der Verbrecher trug eine Halbmaske, und die Haarfarbe konnte ich in der Dunkelheit nicht erkennen."
„Auch das noch", stöhnte Morry, „jetzt bin ich genauso schlau wie vorher. Es ist doch zum Verzweifeln." Wütend wandte er sich ab und begab sich wieder ins Haus.
*
In ihrem Geheimversteck saßen sich die beiden Gangster gegenüber. Sinnend betrachtete Jim den Boß und sagte kopfschüttelnd: „Bin neugierig, wie lange wir hier schmoren sollen. Was meinst du wohl, Boß, wie mir die Kehle brennt. Wir haben keinen Whisky mehr im Haus", nun blitzten seine Augen listig auf, als er spitzbübisch fortfuhr. „Der Kommissar hat dir doch nur verboten, das Haus zu verlassen..."
„Eigentlich hast du recht", lachte Joe Purdon auf, und ging zum Fenster, zog den Vorhang ein wenig beiseite und überprüfte mit gespannter Aufmerksamkeit die Umgebung. Plötzlich zuckte er zusammen. „Dort drüben hinter dem Baum", flüsterte er und winkte Jim zu sich heran, „steht Eddy. Der verdammte Kerl beobachtet uns schon wieder. Dafür allein verdient er seine Tracht Prügel."
„Das kann ich ja gleich erledigen", grinste der riesenhafte Verbrecher und rieb sich die Hände. Es war unwahrscheinlich, wie leise sich der riesenhafte Gangster, der fast drei Zentner wog, vorwärtsbewegte. Bei jedem Schritt federte er aus dem Gelenk, und bevor er den Fuß aufsetzte, tastete er den Boden ab. So gelang es ihm, unbemerkt an Eddy heranzukommen, der hinter dem Baum stand und das Haus beobachtete.
Erschrocken zuckte er zusammen, als er die Hand des Gangsters auf seiner Schulter fühlte. „Nanu, mein Lieber", höhnte Jim, „was machst du denn hier. Du willst uns wohl durchaus die Polente auf den Hals hetzen, was?"
„Aber Jimmy", stammelte verängstigt der Taschendieb und versuchte, sich von dem Griff des anderen zu befreien, „ich bin nur zufällig hier vorbeigekommen und wollte sehen, ob noch alles in Ordnung ist."
„Schon wieder einmal zufällig", höhnte der Riese und schlug Eddy mit der verkehrten Hand ins Gesicht. „Für diese Unverschämtheit bekommst du jetzt eine Tracht Prügel von mir. Los, bekenne Farbe, für wen arbeitest du eigentlich, willst dir wohl die Prämie abholen, was? Bist du nicht mit Inspektor Halley befreundet?"
„Den kenne ich doch kaum", entgegnete wimmernd der Taschendieb.
„Aber ein Spitzel bist du ja doch", knurrte der Riese, „denn du hast Kommissar Morry auf unsere Fährte gelockt."
„Das ist doch etwas ganz anderes", versuchte sich Eddy zu verteidigen, „Kommissar Morry meint es doch gut mit Joe."
„Und was machst du hier?" forschte noch einmal der Gangster, und als auf seine Frage Eddy keine Antwort wußte, schlug er zweimal blitzschnell zu, so daß der Taschendieb bewußtlos zusammenbrach. Kalt lächelnd betrachtete Jim den am Boden Liegenden. Er zündete sich eine Zigarette an und wartete gelassen das Erwachen Eddys ab. Es vergingen Minuten, bevor der Taschendieb die Schlagwirkung überwand. Mühsam richtete er sich dann auf und sah den Gangster Jim verängstigt an. „Scher dich zum Teufel", knurrte dieser, „und hüte dich, hier jemals wieder aufzutauchen. Diesmal sollst du noch glimpflich davonkommen. Beim nächsten Mal wird dich deine eigene Mutter nicht wieder erkennen. Los, hau ab!"
Eddy atmete erleichtert auf, so leichten Kaufes davongekommen zu sein. Hastig erhob er sich und rannte in wilden Sätzen davon. Nicht einmal drehte er sich mehr um. So sah er nicht, wie ihm Jim kopfschüttelnd nach lächelte. Noch einmal blickte Jim umher, dann ging er ruhig weiter, überquerte den Damm und verschwand in einer kleinen, dunklen Gasse.
*
Es pochte sechsmal gegen das Fenster. Verwundert richtete sich Joe Purdon auf und schüttelte den Kopf. Sollte Jim schon zurückgekommen sein? Aber der war ja kaum zehn Minuten fort das war wohl nicht möglich. Ach ja, jetzt fiel es ihm rechtzeitig ein. Kommissar Morry wollte ihn ja aufsuchen und mit ihm sprechen. Langsam ging der stiernackige Mann zur Tür und öffnete sie mit einem Ruck. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen. Vor ihm stand ein Mann mit einer Maske vor dem Gesicht und blickte ihn derartig drohend an, daß er einige Schritte zurücktaumelte. Das war es aber nicht, was ihn so durcheinander brachte, sondern die Tatsache, daß der Näherkommende ein Wurfmesser in der Hand hielt und die Spitze mit den Fingern vibrieren ließ. Fast unhörbar fiel die Tür ins Schloß. Woher kannte der Unheimliche sein Versteck, und wo konnte er
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