Kommissar Morry - Lautlos kommt der Tod
einigen Metern blieb er stehen und beobachtete mit scharfen Augen die Umgebung. Nichts regte sich. Erst als der Mann sich vergewissert hatte, daß in der Prunkvilla die letzten Lampen verlöscht waren, ließ er sich ins Wasser gleiten und schwamm auf das Grundstück zu. Wie ein Indianer schlängelte er sich am Boden dahin, jede Deckung ausnützend, und verschwand dann wie ein Schatten in einem Gebüsch, als er das Knarren einer Tür vernahm. Der Eindringling atmete erleichtert auf, als er erkannte, daß die Gartentür vom Wind hin und her bewegt wurde. In diesem Moment schob sich der Mond hinter einer Wolkenwand hervor und erhellte für Sekunden die Umgebung. Der Körper des Mannes glänzte , er war mit Öl eingerieben, sicherlich zum Schutz gegen die Kälte des Wassers. Erst als es wieder völlig dunkel war, schlich der Mann sich näher an das Haus heran. Schnell und geschmeidig kletterte er an der Regenrinne empor, ergriff dann mit starker Hand das Geländer eines Balkons und schwang sich mit einem federnden Satz hinauf. In seinen Augen blitzte es triumphierend, als er feststellte, daß die Balkontür nur leicht angelehnt war. Behutsam drückte er sie auf, nahm mit beiden Händen den Vorhang beiseite und spähte in das Schlafzimmer hinein. Tiefe Atemzüge verrieten dem Eindringling, daß er nicht bemerkt worden war. Noch einige Sekunden wartete er, dann durchquerte er auf Zehenspitzen das Schlafzimmer. Da drehte sich der Schlafende herum. Wie erstarrt blieb der Eindringling stehen. Nur stoßweise kam sein Atem. Er hatte sich jetzt gegen eine Wand gestellt und belauerte den Ruhenden. War er bemerkt worden? Verstellte sich jetzt der im Bett liegende Mann? Wieder wartete der Eindringling einige Zeit, und als er davon überzeugt war, daß der Mann weiterschlief, schob er sich langsam an ihn heran. Als er dicht vor ihm stand, blitzten seine Augen hinter der Maske gefährlich auf. Mit einem Ruck zog er ein langes Wurfmesser aus der Scheide, das er an einem Gürtel befestigt hatte. Warum nur zögerte er — hatte er etwa Mitleid mit dem alten Mann?
Wer weiß, was ihn bestimmte, sein Opfer zu schonen, denn plötzlich wandte er sich ab und nahm behutsam die Jacke des Schlafenden an sich, die dieser über einen Stuhl gehängt hatte. Hastig tastete er sie ab, dann zog er grinsend ein Schlüsselbund aus der Seitentasche. Das ging ja alles besser, als er gedacht hatte. Behutsam öffnete er nun die Schlafzimmertür und zog sie ebenso leise hinter sich zu. Wie ein Schatten huschte er die Treppen hinunter. Als er das Herrenzimmer erreicht hatte, blieb er aufatmend stehen. Nun hatte er etwas Zeit, sich zu verschnaufen. Nachdem sich seine Nerven beruhigt hatten, schaltete er eine Schreibtischlampe ein und zog danach die Vorhänge zu. Welche Nerven mußte der Mann besitzen, daß er jetzt völlig ruhig und gelassen den Safe öffnete. Auf einem großen Samttablett lagen Brillanten von einem ungeheuren Wert. Gierig funkelten die Augen des Eindringling, als er fast liebevoll jedes einzelne Schmuckstück betrachtete. In seiner Erregung vernahm er nicht, daß eine Tür geöffnet wurde. Ein Geräusch hatte den Juwelier aus dem Schlaf geweckt. War es das feine Klirren der Schlüssel gewesen, als der Eindringling sie aus seiner Jackentasche gezogen hatte, oder vielleicht das leise Zudrücken der Schlafzimmertür? Howard Tailor war plötzlich hellwach, schaltete die Nachttischlampe an und blickte grübelnd umher. Da fiel sein Blick auf seine Jacke. Er wußte ganz genau, daß er dieselbe sorgfältig über die Stuhllehne gehängt hatte. Nun lag sie wie ein Bündel Lumpen am Boden.
Ängstlich blickte er umher. Träumte er etwa? Unwillkürlich rieb er sich über die Augen, aber die Jacke lag am Boden, daran war nichts zu deuteln. Langsam erhob sich der füllige Mann und nahm das Kleidungsstück auf. Mehrere Male schüttelte er die Jacke. Das Schlüsselbund mußte herausgenommen worden sein. Angestrengt lauschte er. Dann aber riß er sich zusammen, holte aus seiner Nachttischschublade einen Revolver, warf sich hastig den Morgenrock über und verließ leise sein Schlafzimmer. Schritt für Schritt ging er die Stufen hinunter, und als er vor der Tür seines Herrenzimmers stand, blieb er überrascht stehen. Ein feiner Lichtstrahl fiel durch eine Ritze er wußte ganz genau, daß er gestern Abend die Lampe ausgelöscht hatte. Aber er vernahm nichts, nicht das leiseste Geräusch, aber dennoch hatte er das Gefühl, daß jemand im Herrenzimmer sein
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