Kommissar Morry - Opfer des Satans
ganz bestimmten Anlaß gehabt haben, Jack Ebor zu beseitigen. Vielleicht ging es dem Mörder nur darum, einen gefährlichen Mitwisser zu beseitigen, obwohl ich noch nicht einmal glaube, daß Griffin, wenn wir ihn weiter so nennen wollen Ebor zu dem Verbrechen angestiftet hat. Bisher ging er doch außerdem auf Bargeld aus.“
Zehn Minuten später verließen Kommissar Morry und Wachtmeister Kenton das Schloß. Was noch zu tun blieb, konnte die Mordkommission allein erledigen. Bisher hatten sich so gut wie keine Spuren gefunden. Anscheinend hatten die Einbrecher mit Handschuhen gearbeitet.
„Wohin fahren wir, Sir?“ fragte Wachtmeister Kenton neugierig.
„In die Schenke ,Zum blauen Hai“‘, sagte Morry einsilbig.
„Vielleicht plaudern die Spießgesellen Jack Ebors etwas aus. Es wäre ein großer Glücksfall für uns.“
Sie stellten ihren Wagen am Poplar Dock ab und gingen auf die berüchtigte Schenke zu. Um diese Tagesstunde war nur die vordere Gaststube geöffnet. Aus der Tür wehte ein schaler Geruch nach kaltem Rauch und verschüttetem Bier. Strichmädchen mit hohlen, übernächtigen Augen nahmen schleunigst Reißaus, als sie die Polizeilimousine sahen.
„Das ist ein tolles Viertel“, knurrte Wachtmeister Kenton angewidert. „Man macht sich direkt schmutzig, wenn man hier herumläuft.“ Sie traten in die düstere Gaststube ein und sahen schon von der Tür aus Lilly Raven hinter dem Büfett stehen. Sie war noch nicht frisiert und trug einen mondänen Morgenmantel. Ihr Gesicht wirkte in der Morgenhelle bei weitem nicht so reizvoll wie in der Nacht. Unter ihren Augen lagen schwarze Ringe.
„Na?“ meinte Kommissar Morry freundlich zur Begrüßung. „Wie gehen die Geschäfte, Miß Raven? Es freut mich, daß Sie Ihr Geld nicht mehr mit Falschspielen verdienen. Wir haben zur Zeit keinen Platz in den Frauengefängnissen. Es ist alles überfüllt.“
Lilly Raven ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Ihre graugrünen Katzenaugen wichen keinen Zollbreit aus.
„Sicher sind Sie nicht nur gekommen, um mir Komplimente zu machen“, sagte sie schnippisch. „Was wollen Sie also?“
„Sie haben einen guten Gast verloren“, sagte Kommissar Morry ironisch. „Jack Ebor wird in Zukunft für Sie ausfallen. Er ist tot. Wir fanden ihn eben in Harrow Castle. Er wurde während eines Einbruchs ermordet.“
Lilly Raven setzte eine traurige Miene auf. „Ich wußte ja immer, daß es mit ihm einmal ein schlechtes Ende nimmt“, klagte sie. „Er hätte auf meinen Rat hören sollen. Dann wäre er anständig geblieben. Ich wollte ihm mehrmals eine ehrliche Arbeit verschaffen.“
„Als Dreigroschenjunge?“ fragte Kommissar Morry spöttisch.
Lilly Raven überhörte hochmütig die spitze Bemerkung. „Es tut mir leid um Jack Ebor“, sagte sie mit gutgespielter Traurigkeit. „Seine Freunde werden Augen machen, wenn sie das hören. Jack war ihnen sehr ans Herz gewachsen.“
„Ich glaube, daß sie bereits Bescheid wissen“, lächelte Morry anzüglich. „Jack Ebor war bestimmt nicht allein im Schloß. Es hat ihn mindestens einer von seinen Freunden begleitet. Wo stecken denn die Burschen? Kann man sie sprechen? “
„Sie haben Glück, Kommissar“, flötete Lilly Raven süß. „Sonst pennen die Boys meist um diese Zeit. Aber heute kamen sie schon in aller Herrgottsfrühe und wollten eine Fleischbrühe trinken. Sie sitzen gleich nebenan.“
Die beiden Beamten versäumten keine Minute mehr. Sie gingen hinaus in das sogenannte Frühstückszimmer und freuten sich, als sie sahen, daß ihr Eintritt Schrecken und Unruhe verbreitete. Den drei versammelten Burschen sträubten sich buchstäblich die Haare. Mit grünlichen Gesichtern äugten sie zur Tür. Kein Wort kam über ihre verkniffenen Lippen.
„Sieh mal an“, brummte Morry. „Hier herrscht eine Stimmung wie in einem Trauerhaus. Na, das ist ja auch zu verstehen. Das tragische Ende Jack Ebors ist euch verflucht nahe gegangen, wie?“
„Wovon sprechen Sie denn, Sir?“ fragte Slim Duckett mit gerunzelter Stirn. „Jack muß jeden Moment erscheinen. Wir haben ihm sogar eine Tasse Fleischbrühe warmstellen lassen. Bitte, fragen Sie Lilly Raven, wenn Sie uns nicht glauben.“
Kommissar Morry versuchte es mit einem Bluff.
„Der arme Jack Ebor“, sagte er mit dumpfer Grabesstimme. „Er mußte sterben, während er sich gerade die Taschen füllte. Er hat kunstgerecht einen Wandsafe in Harrow Castle aufgemacht. Nun, der Tod bewahrte ihn vor einer langjährigen
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