Kommissar Morry - Opfer des Satans
Herren empfangen muß.“
Er begann unruhig in der Halle hin und her zu wandern. Er fand keinen Augenblick Ruhe.
Seine Nerven waren verbraucht. Am liebsten hätte er das Schloß fluchtartig verlassen. Aber es war wohl seine Pflicht, hier bis zum Letzten auszuharren.
„Schon wieder ein Verbrechen zwischen diesen ehrwürdigen Mauern?“ fragte Kommissar Morry kopfschüttelnd, als er die Mordkommission in die Halle führte. „Wer ist es denn diesmal, Mr. Belmont? Es würde mich nicht wundern, wenn Cecil Harrow . . .“
„Er ist es nicht“, sagte Stanley Belmont mit dem letzten Rest seiner Beherrschung. „Es ist ein Fremder. Er brach scheinbar während der Nacht in das Schloß ein. Ich sah durch die offene Tür der Bibliothek, daß der Wandsafe gesprengt worden ist. Wenn Sie wollen, führe ich Sie gleich nach oben.“
Er ging mit den Beamten die Treppe hinauf und geleitete sie durch die Galerien in das oberste Stockwerk. Vor dem Toten blieb er stehen.
„Hier liegt er“. sagte er mit belegter Stimme. „Wir haben ihn nicht angerührt. Es wäre mir nur recht, wenn Sie seinen Mörder bald fänden. Es ist allmählich nicht mehr auszuhalten in dieser Atmosphäre des Mißtrauens und Hasses...“
Kommissar Morry überhörte die Worte. Er gab Wachtmeister Kenton einen Wink. „Sehen Sie sich mal den Mann an“, meinte er gedehnt. „Kennen Sie ihn nicht?“
Wachtmeister Kenton blickte forschend in das wächserne Totenantlitz. Gleichzeitig streifte er den Dolch und die klaffende Brustwunde.
„Natürlich kenne ich den Mann, Sir! Wir hatten ihn ja schon zu seinen Lebzeiten ein paarmal zwischen den Fingern. Es ist Jack Ebor, nicht wahr?“
„Hm“, murmelte Kommissar Morry. „Sie haben wieder einmal recht, Kenton! Es ist Jack Ebor. Er war ein guter Kunde der Polizei. Wenn ich nicht irre, saß er mindestens sechsmal hinter Gittern. Immer wegen schweren Einbruchs . . .“ „Ich traf ihn mehrmals in der Schenke „Zum blauen Hai“, brummte Wachtmeister Kenton. „Wahrscheinlich war er Stammgast dort.“
„Hm“, murmelte Kommissar Morry und zog Kenton hastig auf die Seite. „Es liegt auf der Hand, daß Jack Ebor hier eingebrochen hat. Wahrscheinlich hatte er einen oder mehrere Komplicen dabei. Das werden wir später noch überprüfen.
Viel wichtiger ist die Frage, Kenton: Wer hat Jack Ebor den Tip gegeben, hier einzubrechen. Verstehen Sie, wie ich das meine? In London gibt es über eine Million Gebäude. Wenn nun Jack Ebor sich ausgerechnet dieses Schloß aussuchte, so hat ihn doch irgend jemand mit der Nase darauf gestoßen. Wer könnte das gewesen sein?“
„Stanley Belmont vielleicht?“ meinte Wachtmeister Kenton zögernd. „Er kann es nicht mehr erwarten, bis er Geld zwischen die Finger bekommt. Die drei Monate bis zur Testamentseröffnung werden ihm zu lang.“
Kommissar Morry wiegte zweifelnd den Kopf.
„Der Anstifter des Verbrechens“, meinte er grübelnd, könnte aber auch Cecil Harrow gewesen sein. Wir wissen doch, daß ihm das Wasser bis zum Halse steht. Er hat nichts als Schulden. Er ist in ewigen Geldschwierigkeiten. Sein Geldbeutel kann eine Auffrischung recht gut vertragen.“
„Komisch, daß man diesen Burschen nie hier sieht“, brummte Wachtmeister Kenton verwundert. „Er ist nie zu Hause. Wo treibt er sich denn ewig herum?“
Kommissar Morry blickte flüchtig zu dem Toten hinüber, den der Polizeiarzt eben untersuchte.
„Lassen wir mal den Einbruch, Kenton. Tatsache ist, daß Jack Ebor den Wandsafe sprengte. Untersuchen Sie später die Metalltür und die Fächer nach Fingerabdrücken. Vielleicht können wir auf diese Weise die Mittäter ermitteln.
Aber im Moment bewegt mich eine andere Frage. Wenn Jack Ebor hier einbrach, mußte er noch lange nicht sterben. Wer hatte es denn auf sein Leben abgesehen? Wem konnte dieser kleine Ganove so gefährlich werden, daß ihn ein tödlicher Dolchstich treffen mußte?“
„Das weiß ich auch nicht, Sir“, murmelte Wachtmeister Kenton ratlos. „Es scheint doch so, daß der gesuchte Mörder hier im Schlosse aus und ein geht. Wer ihm in die Quere kommt, wird erledigt.“
„Ohne Anlaß mordet kein Mensch“, warf Kommissar Morry ein.
„Es sei denn, wir hätten es mit einem Wahnsinnigen zu tun. Mit einem Irren, der aus viehischem Instinkt mordet.“
„Das glauben Sie doch selbst nicht, Sir“, knurrte Wachtmeister Kenton mit grimmigem Lächeln. „Ein Mann, der derart raffiniert zu Werke geht, ist bestimmt nicht verrückt. Er muß einen
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