kommt wie gerufen
gespielt hat. Gestatten Sie«, sagte er und nahm ihr das Handtuch ab. »Sie sind nicht jung. Sie müssen müde sein.«
Mrs. Pollifax wich zu ihrer Pritsche zurück und setzte sich. »Dann gehören Sie also vermutlich auch der Geheimpolizei an.«
»Ja, ich bin Oberst Nexdhet von der Sigurimi.«
Mrs. Pollifax zuckte zusammen. »Ach so. Dann bekleiden Sie einen höheren Rang als der Major.« Sie seufzte. »Deshalb ist es besonders freundlich von Ihnen, zu helfen. Danke.«
Er zuckte die Achseln. »Ein guter Offizier weiß, wann er einen Befehl übergehen darf. Major Vassovic ist kein guter Offizier, bis auf seinen sklavischen Gehorsam, und der ist das Kennzeichen des Herdentiers und keines Anführers. Er hat Angst vor dem Leben.« Der Oberst wand ein Handtuch aus und griff nach einem zweiten, dabei sagte er über die Schulter: »Etwas hat General Perdido bei Ihnen übersehen, Mrs. Pollifax.«
Erschrocken sagte sie: »Wirklich? Und was ist das?«
Er wandte sich um und sah sie an. »Er weiß nicht, wie ausgezeichnet Sie in einer Krise Ihren Mann stehen.«
Es folgte ein langes Schweigen. Nexdhets Worte waren doppelsinnig, aber unter seinem unverwandten Blick wurde es Mrs. Pollifax ziemlich ungemütlich. Bisher war ihr an ihrem Zellengenossen nur der komische Schnurrbart aufgefallen, aber der Mann hatte außerdem durchdringende und intelligente Augen. So liebenswürdig wie möglich antwortete Mrs. Pollifax: »Das freut mich aber.«
»Sie sind mehr, als Sie scheinen«, sagte er lächelnd.
»Wirklich?« Jetzt war sie überzeugt, daß er ihr auf den Zahn zu fühlen suchte. »Ich habe keine Ahnung, wie ich zu sein scheine.«
»Für mich ist das ungemein interessant«, fuhr Nexdhet fort. »Auf den ersten Blick habe ich Sie unterschätzt. Für General Perdido sind Sie ein bedauerlicher Mißgriff. Jetzt frage ich mich, ob er Sie nicht auch unterschätzt haben mag.«
»Was Sie unterschätzt haben, ist meine Erfahrung in Erster Hilfe«, sagte Mrs. Pollifax mit Entschiedenheit. »Wenn es Ihnen allerdings Spaß macht, etwas anderes zu glauben – «
Die Zellentür wurde geöffnet. Der Wächter, der nicht englisch sprach, kam die Serviertabletts holen, und so fand das Gespräch zu Mrs. Pollifax’ Erleichterung ein Ende. Sie legte sofort ihre Karten für ein letztes Patiencespiel auf, aber so oft sie den Blick hob, bemerkte sie, daß Oberst Nexdhet sie mit belustigter Nachdenklichkeit musterte.
14
Am nächsten Morgen begann Mrs. Pollifax ernsthaft ihre Pläne zu schmieden. Sobald Oberst Nexdhet aus ihrer Zelle eskortiert worden war, vermutlich zu seinem obligaten Spaziergang, holte sie aus ihrer Handtasche alles, was sich als Bestechungs-oder Tauschobjekt eignen konnte, und breitete die Gegenstände auf dem kleinen Tisch aus. Da waren einmal drei Lippenstifte, von denen zwei noch nie benützt worden waren und in eleganten, mit Schmucksteinen besetzten Hülsen steckten; eine Blechdose mit Heftpflaster, ihre Brieftasche mit fünf Dollar und dreizehn Cents; Reiseschecks im Werte von fünfzig Dollar (der Rest steckte in ihrem Koffer in MexicoCity), und ein kleiner Notizblock mit einem goldenen Bleistift. Schweren Herzens legte sie zu diesen Habseligkeiten auch ihre handgewebte Jacke und teilte die kleinen Gegenstände auf die beiden Taschen der Jacke auf. Einzig den Notizblock behielt sie. Auf einer Seite hatte sie die wenigen albanischen Wörter festgehalten, mit denen der Autor von >Albanien – Land voll ursprünglicher Schönheit< sein Buch auflockern wollte. Es waren folgende Wörter:
Shkep – Fels
Zee – Stimme
Rhea – Wolke
Gjume – Schlaf
bjer – bringen
pese – fünf
Zgarm – Feuer
Natee – Nacht
Ein armseliger Wortschatz für ihren Zweck, aber nachdem sie eine Stunde lang die Wörter in jeder möglichen Reihenfolge aneinandergereiht hatte, entschied sie sich für die Nachricht, die sie in albanischer Sprache schreiben wollte, für vier Worte. Ihr Satz war mehr als primitiv, aber besser verstand sie es nicht. Sorgfältig übertrug sie die vier Wörter auf ein frisches Blatt: Nacht-Schlaf-Stimme-bringen. Darunter schrieb sie englisch weiter, da hier jeder diese Sprache zu sprechen schien: »Wir sind zwei Amerikaner hier, wer sind Sie?«
»Was treiben Sie?« fragte Farrell, der sie von seiner Pritsche aus beobachtete.
»Oh, nichts, gar nichts«, sagte Mrs. Pollifax hastig und steckte den Zettel in ihre Tasche. »Wie fühlen Sie sich?«
»Schwach, aber doch wenigstens wieder wie ein Mensch.«
Sie
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