kommt wie gerufen
Spuren.«
Gemeinsam stolperten Farrell und Mrs. Pollifax in das Maisfeld.
Jeder stützte den anderen, ohne selbst sehr sicher auf den Beinen zu stehen. Schließlich ließen sie einander los und sanken wortlos zu Boden.
»Verdammter Dreck«, brummte Farrell. »Übrigens bin ich hungrig.«
Mrs. Pollifax erhob sich so weit, um in die tiefen Taschen ihres ersten Unterrocks greifen zu können. Sie zog eine Pistole, die Landkarte, den Kompaß und schließlich eine Schnitte harten Brotes und ein kleines Stück Käse hervor. »Viel ist es nicht, und wir müssen etwas für später lassen«, mahnte sie.
»Später«, sagte Farrell träumerisch. »Nichts kommt mir weiter entfernt vor, als >später<.«
Sie hörten, wie der Dschinn nach ihnen suchte, den Schritt verhielt und seine Suche fortsetzte. Umsichtig schob Mrs. Pollifax seine Portion beiseite, steckte den Rest Käse und Brot wieder in ihren Sack, griff nach der Pistole, um sie ebenfalls einzustecken.
Es war jedoch nicht der Dschinn, der auf sie hinabsah, sondern der Posten Stefan, der General Perdido begleitet hatte. Er glotzte sie mit halboffenem Mund aus ungläubigen Augen und mit völlig blödem Gesicht an. Für den Bruchteil einer Sekunde war Mrs. Pollifax genauso überrumpelt wie er, dann begriff sie, daß sie die Pistole in der Hand hielt, hob sie, ohne zu überlegen hoch, legte an, wie ihr Vetter John sie das vor Jahren gelehrt hatte, und drückte ab.
Auf Stefans Brust breitete sich ein großer Blutfleck aus. Langsam gaben seine Knie nach, und er fiel vornüber auf den Boden. Er bewegte sich nicht mehr. Farrell griff bereits nach seiner Krücke und kämpfte sich auf die Füße. Mrs. Pollifax sagte fassungslos: »Ich habe ihn erschossen. Ich habe einen Menschen erschossen.«
»Im nächsten Augenblick hätte er uns beide mit Vergnügen umgelegt «, keuchte Farrell, der nun aufrecht stand. »Um Himmels willen, sitzen Sie nicht da wie angewurzelt, Herzogin. Man muß den Schuß meilenweit gehört haben.«
Der Dschinn jedenfalls hatte ihn gehört. Plötzlich war er wieder bei ihnen, kniete neben dem Toten nieder, nahm ihm die Pistole ab und durchwühlte seine Taschen.
»Jedenfalls wissen sie jetzt, daß wir leben«, sagte Farrell wütend.
»Ach, was gäbe ich darum, wenn ich laufen könnte!«
»Ich habe ihn gesehen und mußte mich verstecken«, sagte der Dschinn ganz betäubt. »Ich habe euch nicht mehr warnen können.«
Er zog Mrs. Pollifax am Arm, und automatisch tat sie ein paar Schritte, dann drehte sie sich um und starrte den Toten an, aber Farrell packte sie und zwang sie, nach Westen zu schauen. »Niemals zurücksehen«, sagte er rauh.
Dann verstand er sie also in seiner bärbeißigen, mitfühlenden Art.
Sie traten in den Pinienwald, der jenseits des Maisfeldes lag, aber die Bäume schirmten sie nur von der Sonne, nicht aber von der Hitze ab. Und doch war es angenehm unter den Pinien.
Plötzlich sagte der Dschinn: »Ich rieche Wasser«, begann steifbeinig vorauszutaumeln und überließ es Mrs. Pollifax sich zu fragen, wie man Wasser denn riechen könnte. Sie blieb bei Farrell, der so bleich war, daß sie Angst um ihn hatte. Wenn vor ihnen wirklich der See lag – und auf Grund der Karte konnte es sich nur um ihn handeln –, mußten sie knapp an der jugoslawischen Grenze und dicht an der Freiheit sein. Der Dschinn war weit vor ihnen und winkte mit beiden Armen. »Seht doch!« sagte er.
Mrs. Pollifax hob den Kopf und sah das Wasser in der Sonne glitzern. Wasser, in dem man baden, das man trinken konnte, in dem man den überhitzten Körper abkühlen und die ausgedörrte Kehle erfrischen konnte. Wasser – sie wollte durch das Unterholz des Ufers stolpern und im Wasser untertauchen, aber sofort packte der Dschinn sie am Arm und hörte das Geräusch des Flugzeuges. »Hier herum«, sagte er und führte sie wieder in den Wald und längs des Seeufers nach Norden.
Skutari-See, entsann sie sich aus dem Buch… zweihundert Quadratmeilen, ein großer See, der zur Hälfte zu Jugoslawien gehörte… In geringer Höhe dröhnte das Flugzeug über den See und schwenkte nach Norden ab, und der Dschinn blieb stehen, legte einen Finger an die Lippen und hielt Mrs. Pollifax am Arm. Sie und Farrell warteten. Der Waldboden stieg sanft an und lag nun höher als das Wasser, das links von ihnen funkelte und vom Ufer aus nun schwerer zu erreichen war. Offenbar war dem Dschinn etwas eingefallen, denn er zog sich die Schuhe aus, band sie sich um den Hals und ging den Weg
Weitere Kostenlose Bücher