Komplott
nicht, wie sie sich in dieser Situation verhalten sollte.
»Die Tür zu unserem Allerheiligsten war schon wieder nur angelehnt und nicht richtig zu«, sagte er schließlich. »Ich denke zwar nicht, dass es etwas mit Ihnen zu tun hat, aber haben Sie vielleicht bemerkt, dass sich Miss Partridge in der Nähe der Tür herumgetrieben hat?«
»Tut mir leid, ich habe mich voll auf meine Arbeit konzentriert«, erwiderte Coral.
»Außerdem habe ich keine Lust, Miss Partridge hinterherzuspionieren.«
»Das kann ich gut verstehen. Aber vielleicht hätten Sie ja auf etwas anderes Lust. Zum Beispiel, mit mir heute Abend nach Dienstschluss noch etwas trinken zu gehen?«
»Vielen Dank für die Einladung«, antwortete Coral in neutralem Ton. »Das ist sehr nett von Ihnen, aber leider bin ich heute schon auf eine Geburtstagsfeier eingeladen.«
»Zu schade.« Immer noch lächelnd, stand er auf. »Dann vielleicht ein andermal.«
Dich krieg ich schon noch, dachte Noel, während er zur Tür zurückging. Und Paula Grey kriegt Arnos Fitch. Der ist genau der richtige Mann für sie.
Arnos Fitch trug einen braunen Mantel und einen großen, dunklen Schlapphut, dessen Krempe er sich tief ins Gesicht gezogen hatte. Wie immer darauf bedacht, so wenig wie möglich aufzufallen, stand der einen Meter siebzig große Mann auf den hinteren Rängen der Zuschauertribüne auf der Hunderennbahn und sah sich mit seinen ruhelosen braunen Augen beständig um, ob ihm nicht von irgendwoher Gefahr drohte. Fitch hatte eine krumme Nase und einen schmallippigen Mund über einem massigen, breiten Kinn.
Als sein Handy ihm mit einem kurzen Ton signalisierte, dass er eine SMS erhalten hatte, nahm er es aus der Manteltasche und las, was auf dem kleinen Display stand.
Um halb zehn heute Abend sollte er Tony Canal im East End treffen, und zwar in einem Pub namens Pig’s Nest.
Tony Canal war ein zwielichtiger Mittelsmann, der niemals preisgab, für wen er arbeitete. Als ehemaliger Eton-Schüler, der auf die schiefe Bahn geraten war, galt er in hohen und höchsten Kreisen der Gesellschaft als der richtige Mann für delikate Angelegenheiten, die man ebenso effizient wie diskret für immer aus der Welt geschafft haben wollte.
10
Tweed fuhr an der Grenze zwischen Surrey und Sussex langsam durch einen bewaldeten Landstrich und suchte schon eine Stunde lang nach Peckham Mallet, wo General Lucius Macomber, der Vater der drei Triade-Brüder, sein Cottage hatte. Es war höchste Zeit, fand Tweed, dem General einen Besuch abzustatten, aber auf seiner Karte war der Ort nicht eingezeichnet.
Hier im Wald gab es weder Häuser noch Pubs, wo er nach dem Weg hätte fragen können, und erst als Tweed auf gut Glück nacheinander mehrere von der Hauptstraße abzweigende Waldwege abfuhr, fand er beim vierten Versuch einen halb verwitterten, an den Stamm einer Fichte genagelten Wegweiser, auf dem er mit Mühe die Worte »Peckham Mallet« entziffern konnte.
Im Schritttempo fuhr er einen schmalen Waldweg entlang. Nach einer halben Meile sah er einen weißhaarigen Mann in Arbeitskleidung, der in gebückter Haltung mit einer Sense das Gras am Wegrand mähte. Tweed schätzte sein Alter auf etwa siebzig Jahre.
»Entschuldigen Sie bitte«, sagte er, nachdem er neben dem Mann angehalten und das Fenster heruntergekurbelt hatte. »Ich suche einen gewissen General Macomber. Er soll hier in der Gegend wohnen, und ich muss ihn dringend sprechen.«
»Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?«
Tweed zog seinen Dienstausweis aus der Tasche und zeigte ihn dem Alten, der ihn eingehend studierte und dann versuchte, Haltung anzunehmen, was ihm aber wegen seines krummen Rückens nicht so recht gelang.
»SIS?«, sagte er zu Tweed. »Ist das eine Art Geheimdienst oder was?«
»Sie haben’s erfasst. Wissen Sie denn, ob der General hier wohnt?«
»Hin und wieder schon, aber jetzt nicht«, antwortete der Alte. »Er ist nur hier, wenn er auf dem Weg nach London ist. Bleibt ein paar Tage und fährt dann wieder. Sehen Sie das Cottage dahinten? Das gehört ihm. Ich kümmere mich um den Garten und sehe auch sonst regelmäßig nach dem Rechten.«
Er deutete den Waldweg entlang, wo Tweed in einiger Entfernung ein adrettes Haus mit neuem Ziegeldach sah, an dessen frisch gestrichener Haustür ein auf Hochglanz polierter Messingknauf in der Sonne glänzte. Der alte Mann schien seine Sache gut zu machen.
»Wann war der General denn das letzte Mal da?«, fragte Tweed wie nebenbei.
»Vor einer Woche. Hat
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