Konfessor - 17
doch das tat er nicht. Er blickte im Vorüberrennen nicht einmal in dessen Richtung.
Er hatte seine Chance zu einem Attentat auf den Kaiser gehabt und sie ungenutzt verstreichen lassen.
Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, warum, wenn er denn tatsächlich, wie Nicci glaubte, etwas im Schilde führte. Vielleicht entsprang es ja nur Niccis Wunschdenken … und ihrem eigenen. Im Nu waren Richard und seine Mitspieler vorbei und stürmten das Feld entlang.
Die Spieler der Mannschaft Jagangs, die sie beobachtet und gesehen hatten, dass sie in ihrem ungestümen Sturmlauf dicht beieinanderblieben, statt sich, wie zuvor gelegentlich, über das ganze Spielfeld zu verteilen, schlossen die Reihen zu einer undurchdringlichen Mauer aus muskelbepackten Gliedern, die ihrem Ansturm zweifellos ein Ende bereiten würde.
Bereits in mehreren früheren Spielabschnitten war es ihnen gelungen, sie am Punkten zu hindern, sie wussten also, dass sie ihren Gegner für einen Sieg nur zu kontrollieren brauchten. Doch offenbar wollten sie mehr. Ein einfacher Sieg genügte ihnen nicht, sie wollten die Herausforderer fertigmachen. In ihren Gesichtern war die wilde Entschlossenheit zu lesen, die Partie so brutal wie nur möglich zu beenden.
Doch anstatt auseinanderzusprengen oder Positionen einzunehmen, die es ihnen erlaubt hätten, die Formation aus wartenden gegnerischen Blockern in Zweikämpfe zu verwickeln, schlossen sich Richards Spieler plötzlich und unerwartet zusammen und verschmolzen zu einer einzigen Kolonne, einem dicht geschlossenen Gebilde, an dessen Spitze die größten Spieler liefen. Gleichzeitig legte jeder seinem Vordermann die Hand auf die Schulter, was der Kolonne zusätzliche Stabilität verlieh. Sie bewegten sich in völligem Einklang mit weit ausgreifenden, halsbrecherischen Schritten.
In einem einzigen Augenblick hatte sich Richards Mannschaft in einen menschlichen Rammbock verwandelt.
Vielleicht waren sie nicht ganz so schnell wie jeder einzelne Spieler für sich, doch darauf kam es gar nicht an. Der geringfügige Tempoverlust wurde von ihrem gewaltigen, gemeinschaftlichen Körpergewicht, das ihnen einen ungeheuren Schwung verlieh, mehr als wettgemacht. So sehr die einzelnen hochaufgeschossenen Spieler aus Jagangs Mannschaft sich auch wappneten, die entfesselte Spielerkolonne brach durch sie hindurch, wie ein Baumstamm durch die Tür einer baufälligen Hütte.
Jagangs Spieler waren es gewohnt, dass ihre überlegene Körpergröße von Vorteil für sie war, doch selbst mit ihren mächtigen Körpern waren sie der ungeheuren Wucht, mit der sich Richards Mannschaft geschlossen und hochkonzentriert in sie hineinwarf, nicht gewachsen. Die Kolonne verlor bei ihrem Durchbruch nicht einmal an Tempo, sondern übertrug den Schwung des Zusammenpralls auf die gegnerischen Blocker und sprengte sie auseinander.
Bei dem wuchtigen Zusammenprall brachen einige von Richards Spielern an der Spitze weg, doch sofort übernahm hinter ihnen ein neuer Spieler die Führung, so dass die Kolonne selbst beim Durchbrechen der von den Verteidigern gebildeten Mauer intakt blieb. Kaum waren sie bis in die gegnerische Spielhälfte und zur ersten Punktelinie vorgedrungen, sprengte die Kolonne lange vor Erreichen der regulären Wurfzone auseinander und warf sich krachend in die ihnen entgegenstürmenden Blocker, so dass Richard für einen winzigen Augenblick in Sicherheit war.
Von dieser Rückraumlinie aus warf Richard den Broc. Der Weg zum Tor war weit. Als sich der Broc, von den Fackeln beschienen, in hohem Bogen durch die Nachtluft senkte, beugte sich die Menge wie ein Mann nach vorn und hielt gespannten Blicks den Atem an. Mit einem dumpfen Geräusch landete der Broc satt im Netz - ein Treffer, der zwei Punkte zählte.
Die Menge brach in tosenden Jubel aus, der die Nachtluft erbeben ließ und den Boden erschütterte.
Nun lag Richards Mannschaft mit einem Zähler in Front. Die Mannschaft des Kaisers besaß kein Angriffsrecht mehr, hatte keine Möglichkeit mehr, das Ruder noch herumzureißen. Und obwohl Richards Angriffsphase noch nicht völlig abgelaufen war, waren sie darauf nicht angewiesen. Die Partie - obwohl noch nicht vorüber, obwohl der Sand im Stundenglas noch immer rieselte - war so gut wie gewonnen. Kaiser Jagangs Miene war wie versteinert. Seine grimmig drein-blickende Leibgarde musste sich mit ihrem ganzen Gewicht der aufgeregten Menge zu beiden Seiten entgegenstemmen, während der Jubel unvermindert anhielt.
Zu guter Letzt
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