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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie
Autoren: Karin Fossum
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mit mir da sitzen können. Darum hatte ich dich gebeten! Das war mein gutes Recht!«
    »Das ist keine gute Taktik«, sagte Friis. »Es ist besser für uns, wenn ich nicht weiß, was zwischen euch passiert ist. Damit kann ich auch Sejers Methoden anzweifeln. Verstehst du? Ich will, daß du dein Geständnis zurückziehst.«
    Gøran musterte ihn überrascht. »Ist das nicht ein bißchen spät?«
    Friis lief wieder in der Zelle hin und her.
    »Du hast Sejer gegeben, was Sejer haben wollte. Das Geständnis.«
    »Geht es dir um die Wahrheit?« fragte Gøran.
    »Ich bin hier, um deine Haut zu retten«, sagte Friis scharf. »Das ist meine Aufgabe, und das kann ich. Herrgott, du bist ein junger Mensch. Wenn sie dich verurteilen, dann mußt du lange sitzen. Deine besten Jahre. Denk doch mal nach!«
    Gøran drehte sich zur Wand um. »Geh doch einfach. Ich scheiß auf alles.«
    Friis setzte sich neben ihn. »Nein«, sagte er. »Ich gehe nicht. Du hast, unter Druck, ein Verbrechen gestanden, das du nicht begangen hast. Sejer ist älter als du, eine Autorität. Er hat deine Jugend ausgenutzt. Das ist nicht erlaubt. Vermutlich hat er dich einer richtigen Gehirnwäsche unterzogen. Wir ziehen das Geständnis zurück und lassen sie noch eine Weile schwitzen. Und du ruhst dich jetzt aus. Versuch zu schlafen. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.«
    »Du mußt mit meinen Eltern sprechen«, sagte Gøran.
     

KAUM HATTEN DIE ZEITUNGEN
    über das Geständnis berichtet, als sie es auch schon wieder dementieren mußten, denn Gøran hatte es zurückgezogen. In Einars Kro machten die Gäste große Augen. Die Zweifler, die die ganze Zeit an seine Unschuld geglaubt hatten, fühlten sich betrogen. Im tiefsten Herzen konnten sie es nicht glauben. Wie konnte ein junger Mann zugeben, den Kopf einer Frau zerschlagen zu haben, bis er wie rote Grütze im Gras verschmiert war, wenn er es gar nicht getan hatte? Ihnen drehte sich bei der bloßen Vorstellung der Magen um. Dieser Gøran, den sie kannten, war doch ein ganz anderer. Die kriminaltechnischen Befunde bedeuteten ihnen nichts, die Geschichte, in der es von Fällen nur so wimmelte, in denen Menschen Verbrechen gestanden hatten, an denen sie nie auch nur beteiligt gewesen waren, auch nicht. Die Zeitung Dagbladet brachte mehrere Fälle dieser Art. Die Leute in Einars Kro zogen sich in sich zurück, wehrten sich, spürten, daß das nicht möglich sein konnte. Und die zukünftigen Geschworenen dachten sicher wie sie.
    Es war still in der Kneipe, keine lebhaften Diskussionen, nur zweifelnde Menschen, die nicht wußten, was sie denken sollten. Mode sagte, nein, zum Teufel, das hätte ich nie erwartet. Nudel schwieg, Frank schüttelte ungläubig seinen massigen Schädel. Was zum Teufel soll man denn überhaupt glauben? Ole Gunwald war erleichtert. Er hatte die Polizei auf Einar aufmerksam gemacht, doch der hatte sich als das reine Unschuldslamm erwiesen. Gunwald war zwar auch von der Unschuld des jungen Gøran Seter überzeugt gewesen, doch bei näherem Überlegen konnte er doch das Bild eines wütenden, übertrainierten jungen Mannes hinnehmen, dem seine Freundin soeben eine Abfuhr erteilt hatte. Gefolgt von seiner Geliebten. Was hatte noch in der Zeitung gestanden? »Ein Mörder mit ungeheuren Kräften.«
    Gunder hatte zweimal am Telefon gestanden und sich Sejers Erklärungen angehört. Zuerst, daß sie endlich am Ziel seien, dann, nur Stunden später, dieser Rückzug, der ihm keine Sorgen mache, wie er behauptete, vor Gericht werde das Geständnis Gewicht haben, es werde erklärt werden müssen. Wir können durchaus hoffen, daß Gøran verurteilt wird, sagte er, und seine Stimme klang wirklich überzeugend. Gunder nickte, wollte aber nichts mehr hören. Er wollte alles hinter sich haben.
    »Wie geht es Ihrer Schwester?« fragte Sejer.
    »Da gibt es keine Veränderung.«
    »Sie dürfen die Hoffnung nicht aufgeben.«
    »Das kann ich nicht. Ich habe doch nur sie.«
    Gunder dachte kurz nach. Es gab etwas, das er erwähnen wollte.
    »Übrigens habe ich einen Brief bekommen. Von Poonas Bruder. Der liegt bei mir in der Schublade. Poona hat ihn nach unserer Hochzeit geschrieben. Einen Brief, in dem sie alles erzählt. Er dachte, ich wollte ihn haben.«
    »Freuen Sie sich über diesen Brief?«
    »Er ist auf Indisch«, sagte Gunder. »Auf Marathi. Deshalb hilft er mir nicht weiter.«
    »Ich kann ihn übersetzen lassen, wenn Sie wollen.«
    »Gern.«
    »Dann schicken Sie ihn mir«, sagte Sejer.
     
    Robert
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