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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie
Autoren: Karin Fossum
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ist aber eine komische Antwort?«
    Wieder empfand die Mutter diese Unruhe. »Du bist im Moment so seltsam. Ja, entschuldige, aber ich verstehe dich nicht. Ist alles in Ordnung?«
    »Ich bin sehr zufrieden«, sagte Linda altklug.
    »Aber die Schule und das alles. Was soll denn werden?«
    »Ich brauche einfach nur eine Pause.«
    Sie sah verträumt aus. Hob das weiße Kleidungsstück ins Licht. In ihren Gedanken war die Bluse rot und klebrig von Jacobs Blut. Sie würde sie für immer als Kleinod ihrer Liebe aufbewahren. Dann mußte sie plötzlich lachen. Belustigt schüttelte sie den Kopf. Vom Gedanken bis zur Tat war es ein weiter Weg, das wußte sie immerhin. Aber dieses Spiel gefiel ihr. Sie fühlte sich lebendig dabei. Wenn sie mit dem Bus in die Stadt fuhr. Wenn sie sich im Torweg versteckte, mit dem Messer in der Hand. Wenn sie plötzlich Jacob sah, der gerade von der Straße abbog. Seine Locken, die im Lampenlicht golden funkelten. Und sie. Sprang plötzlich aus der Dunkelheit hervor. Seine Stimme, voller Verwunderung. Die letzten Worte, die er jemals sagen würde:
    »Linda. Bist du’s?«
     

SEJER STAND IM FLUR UND HORCHTE. 
    Langsam und unsicher kam der Hund um die Ecke.
    »Wie geht’s denn, Junge?«
    Er ging in die Hocke und kraulte den Hund hinterm Ohr. Kollberg hatte ein wenig zugenommen. Und sein Fell hatte etwas von dem alten Glanz zurückgewonnen.
    »Komm«, sagte Sejer dann. »Gleich gibt’s Frikadellen. Die müssen nur noch ein wenig in der Pfanne brutzeln.«
    Der Hund saß geduldig neben dem Herd, während Sejer sich mit Bratpfanne und Butter zu schaffen machte.
    »Gewürze?« fragte er höflich. »Salz und Pfeffer?«
    »Wau«, sagte der Hund.
    »Und du kriegst heute ein Bier. Bier ist nahrhaft. Aber es gibt nur eins.«
    Der Hund horchte und hob dabei seine Hängeohren. Langsam füllte die Küche sich mit Essensduft, und Kollberg fing an zu sabbern.
    »Das ist schon komisch«, sagte Sejer und sah den Hund an. »Früher hättest du dich jetzt unmöglich aufgeführt. Wärst herumgesprungen und hättest wie blöd gebellt und einen Höllenlärm gemacht. Wegen der Frikadellen. Aber jetzt sitzt du ganz still da. Ob du wohl je wieder der alte wirst?« fragte er und drehte die Frikadellen um. »Aber ist ja auch egal. Ich nehme dich so, wie du bist.«
    Später erschien Jacob mit einer Flasche unter dem Arm. Er begrüßte Kollberg ausgiebig. Sejer holte Gläser und eine Flasche Famous Grouse. Sie setzten sich ans Fenster und schauten auf die Stadt, die langsam zur Ruhe kam. Der Hund ruhte sich zu Sejers Füßen aus, satt von Fleisch und Bier. Ein leises Rauschen drang durch die Fensterscheiben.
    »Kommt Sara nicht?« fragte Skarre.
    »Nein«, sagte Sejer. »Sollte sie?«
    »Ja«, meinte Skarre.
    Sejer nippte an seinem Whisky. »Sie ist bei ihrem Vater. Es geht ihm schlecht.«
    »Was fehlt ihm denn noch? Das habe ich vergessen.«
    »MS«, sagte Sejer. »Neue Kortisonkur. Das ist hart für ihn. Und dann wird er schwierig.«
    »Ich weiß alles über schwierige Väter«, sagte Skarre. »Und meiner hat nicht mal Kortison bekommen. Er hat sich ganz einfach an der Dreifaltigkeit berauscht.«
    Diese Antwort ließ Sejer den jungen Kollegen scharf ansehen.
    Skarre stand auf und schlenderte durch das Zimmer. Ging das CD-Gestell durch. Hunderte von verschiedenen Künstlerinnen.
    »Dürfen Männer nicht singen, Konrad«, neckte er.
    »Nicht in meinem Haus.«
    Skarre zog etwas aus der Tasche.
    »Herzlichen Glückwunsch, Konrad.«
    Sejer nahm die CD entgegen. »Was weißt du denn davon?«
    »Du wirst heute einundfünfzig.«
    Sejer musterte das Geschenk und bedankte sich.
    »Ist das akzeptiert?« fragte Skarre.
    »Judy Garland? Aber klar doch.«
    »Apropos Geschenke«, sagte Skarre langsam. »Es kam ein neuer Gruß. Unfrankiert. Es war also wieder Besuch da.«
    Sejer schaute den gelben Briefumschlag an. Der war mit einer Büroklammer verschlossen. Skarre leerte ihn über dem Tisch aus.
    »Was ist das denn?« fragte Sejer neugierig.
    »Knöpfe«, sagte Skarre. »Zwei herzförmige Goldknöpfe, mit einem Faden zusammengebunden.«
    Sejer hielt die Knöpfe ins Licht.
    »Schön sind die«, sagte er nachdenklich. »Von einem teuren Kleidungsstück. Einer Bluse vielleicht.«
    »Aber sie gefallen mir nicht. Wenn sie so auf dem Tisch liegen, im Licht, dann gewinnen sie eine Art Bedeutung. Die ich nicht verstehen kann.«
    »Ein Antrag«, sagte Sejer. »Ich tippe wirklich auf Linda«, er lächelte. »Aber das solltest du nicht
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