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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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finden. Er mußte seinen Blick zu einer geballten Faust weiterwandern lassen. Zu einer goldenen Sandale. Jede Menge Blut. Es hatte ihre Kleider und das ausgedörrte Gras durchtränkt. Er betrachtete den schönen seidigen Stoff an den Stellen ihres blaugrünen Kleides, die sauber waren. Und sah ihren Schmuck funkeln. Sie hatte sich schön gemacht. Als er den Kopf hob, sah er Blutflecken im Gras, die von der Frau fortführten, so, als habe jemand sie überall auf der Wiese mißhandelt. Unbewußt schaltete er alle Sinne ein. Er nahm den Geruch war, hörte die Stimmen, spürte den Boden, der unter seinen Füßen nachgab. Er starrte für einen Moment in den blauen Himmel und senkte dann langsam den Kopf.
    Sie war sehr zierlich. Er sah einen schmalen Fuß. Schmale braune Knöchel. Nackte Füße in den Sandalen. Kleine Füße, glatt und hübsch. Ihr Alter konnte er nicht bestimmen. Alles zwischen zwanzig und vierzig, dachte er. Die Kleider waren unversehrt. Ihre Hände auch.
    »Snorrason?« fragte er endlich.
    »Snorrason ist unterwegs«, antwortete Karben.
    Sejer sah Skarre an. Der stand in seltsam starrer Haltung dort, nur seine Locken bewegten sich im Wind.
    »Was haben wir bis jetzt?«
    Karlsen trat einen Schritt vor. Sein Schnurrbart, der sonst immer elegant geschwungen war, war aus der Fasson geraten. Weil er sich entsetzt mit den Händen über den Mund gefahren war.
    »Die Leiche wurde von einer Frau gefunden. Sie hat uns von diesem Haus dort angerufen«, er zeigte auf den Wald, wo Sejer ein kleines Haus erkennen konnte. Er sah durch das Laub die blanken Fenster.
    »Sie ist mit einem sehr schweren und vermutlich stumpfen Gegenstand erschlagen worden, wir können uns nicht vorstellen, was das gewesen sein kann. Gefunden haben wir nichts. Es gibt sehr deutliche Blutspuren, sie reichen bis in die Ecke dort hinten«, er zeigte auf den Wald auf der anderen Seite, »und fast bis zur Straße. Offenbar hat er sie herumgeschleppt. Nach links gibt es auch noch jede Menge Blutspuren. Vielleicht hat er sie dort angegriffen. Dann hat sie sich losreißen können, und er hat sie eingeholt und weitergemacht. Aber wir glauben, daß sie an der Stelle gestorben ist, wo sie jetzt liegt.«
    Karlsen legte eine Pause ein. »Snorrason ist unterwegs«, sagte er dann noch einmal.
    »Und wer wohnt in diesem Haus«, Sejer nickte zum Wald hinüber.
    »Ole Gunwald, Lebensmittelhändler in Elvestad, hat im Ortskern einen Laden. Hat heute geschlossen, wegen Migräne. Wir haben schon mit ihm gesprochen. Er war gestern abend und in der Nacht zu Hause. Gegen neun Uhr gestern abend hat er leise Rufe gehört, später einen aufheulenden Motor. Als er aus dem Fenster schaute, war der Wagen schon verschwunden. Dasselbe ist eine Weile darauf noch einmal passiert. Leises Rufen und eine knallende Autotür. Außerdem weiß er noch, daß der Hund gebellt hat. Der ist auf dem Hof da unten angeleint.«
    Wieder sah Sejer die Frau im Gras an. Diesmal war der Schock nicht so groß, und in der Masse von zerschlagenen Knochen und Muskeln konnte er ein schreiendes Gesicht ahnen. Die Haut am Hals war fast unversehrt, und er sah, daß sie goldbraun war. Der schwarze Zopf, so dick wie ihre Handgelenke, war von allem unberührt. Unversehrt und schön. Und von einem roten Gummiband zusammengehalten.
    »Und die Frau, die angerufen hat?« Er schaute Karlsen an.
    »Sie wartet in einem von unseren Wagen.«
    »In welcher Verfassung ist sie?«
    »Das wird schon gehen.«
    Dann strich er sich mit der Hand wieder über den Mund, sein Schnurrbart war jetzt die reinste Katastrophe. Einen Moment lang war es still, denn alle warteten.
    »Wir müssen ein Hinweistelefon einrichten«, erklärte Sejer. »Und zwar gleich. Und wir müssen sofort alle Nachbarn befragen. Und mit allen Gaffern dahinten auf der Straße sprechen, auch mit den Kindern. Skarre. Hol dir Galoschen und geh die ganze Wiese ab. In einer engen Spirale. Fang unten an der Straße an. Und nimm Philip und Siw mit. Sie sollen hinter dir hergehen. Was du übersiehst, werden sie entdecken. Wenn du unsicher bist, ob etwas in die Tüte gehört, dann steck es auf jeden Fall rein. Nicht die Handschuhe vergessen. Und danach markiert ihr alle Stellen, wo es Blutspuren oder platt getrampeltes Gras gibt. Wir werden heute und morgen zwei Wachtposten aufstellen. Fürs erste. Karlsen! Ruf die Wache an, sie sollen eine Karte der Gegend besorgen. Eine große, detaillierte. Wenn möglich, dann laß dir von den Einheimischen Wege zeigen, die

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