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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Mitteilungen für ihn einen Sinn ergeben hätten. Daß er dann trotzdem mit einem Ruck den Kopf hob, lag daran, daß er den Namen »Elvestad« gehört hatte. Klar und deutlich. Also drehte er sich um und ging zum Radio. Drehte es lauter. »Frau ausländischer Herkunft. Ungewöhnlich schrecklich zugerichtet.«
    Hier in Elvestad, dachte Gunder empört. Dann kam ein Hauptkommissar zu Wort. »Wir kennen die Identität dieser Frau noch nicht. Niemand hat sie vermißt gemeldet.«
    Gunder lauschte konzentriert. Was hatten sie gesagt?
    Von ausländischer Herkunft . Ungewöhnlich schrecklich zugerichtet .
    Er drehte sich wieder zu seinem Schreibtisch um und stützte sich mit zitternden Händen darauf. In diesem Moment gellte wütend das Telefon durchs Zimmer, aber er wagte nicht, den Hörer abzunehmen. Er klammerte sich fest an die Tischkante, während es klingelte und klingelte. Vor seinen Augen drehte sich alles. Dann war es endlich still. Er versuchte, sich aufzurichten. Er kam sich steif und fremd vor. Er drehte den Kopf und sah das Telefon an, und ganz mechanisch dachte er, daß er Marie anrufen wollte. Wie er das immer machte, wenn etwas passiert war. Aber das war ja unmöglich. Er ging hinaus in die Diele, um die Wagenschlüssel zu holen. Sicher war Poona in irgendeinem Hotel in der Stadt abgestiegen. Früher oder später würde sie auftauchen. Diese andere, von der im Radio die Rede gewesen war, die hatte nichts mit ihm zu tun. Im Radio war doch dauernd von Mord und Totschlag die Rede. Er könnte einen Zettel schreiben und an der Tür befestigen, falls sie in seiner Abwesenheit auftauchte. Meine Frau Poona. Er sah sein Gesicht im Spiegel und zuckte zusammen. Seine Augen erwiderten seinen Blick mit krasser, nackter Angst. Jetzt klingelte das Telefon schon wieder. Das war sie natürlich! Nein, dachte er, das ist das Krankenhaus. Marie ist tot. Oder vielleicht ist es Karsten aus Hamburg, der wissen will, wie es ihr geht, er ist unterwegs zum Flughafen, er nimmt die erste Maschine. Es war Kalle Moe. Gunder blieb mit dem Hörer in der Hand stehen, noch immer über den Schreibtisch gebeugt.
    »Gunder«, sagte Kalle. »Ich wollte mich nur mal erkundigen.«
    Seine Stimme klang zaghaft. Gunder schwieg. Er hatte nichts zu erzählen. Er hätte gern gelogen und gesagt, ja, jetzt sitzt sie hier. Sie hatte sich verirrt, ist ja kein Wunder. Mit einem Taxi aus der Stadt, das sich in der Gegend nicht auskannte.
    »Ist alles in Ordnung?« fragte Kalle.
    Gunder sagte noch immer nichts. Die Nachricht aus dem Radio wollte ihm nicht aus dem Kopf. Vielleicht hatte Kalle sie auch gehört, und jetzt bildete dieser Trottel sich Gott weiß was ein.
    So waren die Leute eben, immer dachten sie gleich das Schlimmste. Und Kalle war ein ängstlicher Mann.
    »Bist du da, Gunder?«
    »Ich bin auf dem Weg ins Krankenhaus.«
    Kalle räusperte sich. »Wie geht es deiner Schwester?«
    »Hab heute noch nichts gehört. Und da ist sie sicher noch nicht zu sich gekommen. Ich weiß es nicht«, fügte er hinzu.
    Wieder schwiegen sie. Kalle schien etwas auf der Zunge zu liegen.
    Gunder wollte ihm durchaus nicht helfen.
    »Nein«, sagte Kalle, »ich habe mir einfach nur Sorgen gemacht. Ich weiß ja nicht, ob du die Nachrichten gehört hast, aber draußen auf Hvitemoen ist eine Frau gefunden worden.«
    Gunder hielt den Atem an. »Ja?« fragte er.
    »Sie wissen nicht, wer sie ist«, sagte Kalle. »Aber sie soll Ausländerin sein. Und sie ist, ja, also – sie haben die Leiche einer Frau gefunden, das wollte ich sagen. Deshalb habe ich mir gleich Sorgen gemacht, du kennst mich doch. Ich habe natürlich nicht angenommen, daß es da einen Zusammenhang gibt, aber es ist ja nicht weit von dir. Ich hatte Angst, es könnte die Frau sein, die ich gestern abholen sollte. Aber die ist heil bei dir angekommen?«
    »Sie kommt im Laufe des Tages«, sagte Gunder energisch.
    »Du hast sie erreicht?«
    Gunder hustete. »Ich muß jetzt los, ins Krankenhaus.«
    »Ach so.«
    Er konnte durch die Leitung Kalles Zweifel spüren. »Und ich muß dich noch für die Fahrt bezahlen«, fügte Gunder eilig hinzu. »Bis später, also.«
    Er knallte den Hörer auf die Gabel. Blieb eine Weile unschlüssig stehen. Einen Zettel für Poona, das mußte er jetzt erledigen. Er könnte ihr den Schlüssel hinlegen. Ob auch in Indien Schlüssel unter der Fußmatte versteckt wurden? Er holte sich Papier und Stift, aber dann ging ihm auf, daß er auf Englisch nicht schreiben konnte. Er konnte nur ein wenig

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