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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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herumgeplanscht. Er hatte nie schwimmen gelernt. Poona weiß das nicht, dachte er und war plötzlich verlegen. Als er sich der Wiese näherte, schaute er nach links, um sie nicht zu verpassen. Als er um die Ecke bog, sah er zwei Streifenwagen. Er hielt und sah sie an. Zwei Beamte lungerten am Waldrand herum. Er sah überall rote und weiße Plastikstreifen und setzte in seiner Verwirrung eilig zurück, bis sein Wagen zwischen den Bäumen versteckt war. Er wußte nicht, daß der rote Volvo schon gesehen worden war. Er saß ganz still da und horchte in sich hinein. Wenn auf der Wiese etwas passiert wäre, das mit Poona zu tun hatte, würde er das dann nicht spüren? Er schob die Hand in die Brusttasche und zog den Trauschein hervor, den er immer auf seinem Herzen trug. Las die wenigen Sätze und Namen immer wieder. Ms. Poona Bai, born on June 1st, 1962, und Mr. Gunder Jomann, born on October 10th, 1949. Es war ein schönes Stück Papier. Champagnergelb mit breitem Rand. Oben saß das Emblem der Botschaft. Der eigentliche Beweis. Jetzt würde ihm wohl niemand glauben. Er seufzte tief und sank in sich zusammen. Ein plötzliches Geräusch ließ ihn aufschrecken, er warf sich zur Seite. Ein Polizist klopfte ans Fenster. Gunders Gesicht leuchtete vor Schreck auf. Er faltete den Trauschein zusammen.
    »Polizei«, sagte der Mann.
    Ja, sich vorzustellen, haben die wohl nicht nötig, dachte Gunder in plötzlicher Irritation. Der Mann trug ja schließlich Uniform.
    »Ist alles in Ordnung?«
    Gunder musterte ihn verständnislos. Nichts war in Ordnung.
    Aber dann ging ihm auf, daß diese Frage nahe lag. Sein Gesicht fühlte sich schmutzig an. Seine Kleidung war nach den vielen Stunden im Krankenhausbett zerknittert. Er war erschöpft und unrasiert. Er hatte am Straßenrand angehalten und wie ein Häuflein Elend hinter dem Lenkrad gesessen.
    »Ich wollte mich nur kurz ausruhen. Ich wohne gleich in der Nähe«, sagte er rasch.
    »Ihren Führerschein und die Wagenpapiere bitten«, sagte der Polizist. Gunder musterte ihn unsicher. Warum denn? Glaubte der etwa, er habe getrunken? Sicher sah er so aus. Er würde gern ins Röhrchen pusten, zuletzt hatte er in Mumbai etwas getrunken. Er nahm die Wagenpapiere aus dem Handschuhfach und griff nach seiner Brieftasche. Der Beamte behielt ihn die ganze Zeit im Auge. Dann wurde er von seinem knisternden Funkgerät abgelenkt. Er drehte sich um und murmelte etwas, das Gunder nicht verstehen konnte. Danach machte er sich eine Notiz. Dann steckte er das Funkgerät in seinen Gürtel und vertiefte sich in Gunders Führerschein.
    »Gunder Jomann, geboren 49?«
    »Ja«, sagte Gunder.
    »Und Sie wohnen gleich in der Nähe?«
    »In Richtung Ortskern. Einen Kilometer von hier.«
    »Und wohin fahren Sie?«
    »Jetzt will ich nach Hause.«
    »Das liegt in der Gegenrichtung«, teilte der Beamte mit und blickte ihn die ganze Zeit forschend an. Gunder stammelte.
    »Ich weiß«, sagte er kleinlaut. »Ich war nur neugierig«, fügte er hinzu. »Auf das, was passiert ist.«
    »Was meinen Sie?« fragte der Polizist. Jetzt war Gunder restlos verwirrt. Spielte der hier den Blöden?
    »Diese Ausländerin. Ich habe davon in den Nachrichten gehört.«
    »Das Gebiet ist abgesperrt«, sagte der Polizist.
    »Das sehe ich. Und jetzt will ich nach Hause.«
    Er bekam seine Papiere zurück und wollte losfahren. Der Beamte steckte den Kopf durchs Fenster und schien im Fahrzeug herumschnüffeln zu wollen. Gunder erstarrte.
    »Ich weiß, daß ich müde aussehe«, sagte er rasch. »Aber meine Schwester liegt im Krankenhaus. Im Koma. Ich habe bei ihr gewacht. Es war ein Autounfall«, fügte er leise hinzu.
    »Ach so«, sagte der Polizist. »Dann fahren Sie nach Hause und ruhen Sie sich aus.«
    Gunder blieb sitzen, bis der schwarze Rücken verschwunden war. Dann fuhr er zehn Meter weiter, setzte rückwärts in den Karrenweg zurück und fuhr nach Hause. Der Beamte ließ ihn nicht aus den Augen. Sprach in sein Funkgerät.
    » Seltsames Verhalten . Scheint vor irgendwas Angst zu haben . Sicherheitshalber Personalien notiert .«
     
    Das Haus war leer. Kein Koffer in der Diele, keine Poona im Wohnzimmer. Die Zimmer waren dunkel, er war bei Tageslicht losgefahren und hatte keine Lampe eingeschaltet. Lange saß er im Sessel und starrte vor sich hin. Die Episode von Hvitemoen machte ihm zu schaffen. Er hatte das Gefühl, eine Dummheit begangen zu haben. Der Polizist hatte sich seltsam verhalten. Es ging ja wohl niemanden etwas an, wenn

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