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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Tisch der Mädchen.
    »Ich muß es mir überlegen«, sagte Kalle.
    Einar nahm sich eine Zigarette. Er musterte die Journalisten, die sich jetzt mit Linda und Karen lebhaft unterhielten. Danach öffnete er die Tür zu seinem Büro. Zu dem kleinen Hinterzimmer, in dem er sich ausruhte oder über seiner Buchführung brütete. Dahinter gab es noch einen Kühlraum, wo er Lebensmittel aufbewahrte. Er öffnete auch diese Tür. Dann blieb er eine Weile ratlos stehen und starrte in den schmalen Raum hinein. Sein gequälter Blick haftete an einem großen braunen Koffer.
     

DIE PRESSELEUTE SCHWIRRTEN UMHER 
    wie die Fliegen und führten sich auf, als gehöre ihnen das ganze Dorf. Alle waren pausenlos auf der Jagd und nutzten ihr Mundwerk als Waffe. Alle hatten ihre eigene persönliche Herangehensweise und bastelten an ungeheuer originellen Schlagzeilen, auf die außer ihnen noch niemand gekommen war. Sie machten dramatische Bilder, auf denen rein gar nichts zu sehen war, weil sie den Tatort nicht betreten durften. Trotzdem hatten sie auf dem Bauch im Gras gelegen, hatten gezielt, während die Linse zwischen Schilf und Grashalmen begraben gewesen war. So daß die Grausamkeit des Menschen in all ihrer Unbegreiflichkeit zu Tage trat, in Form einer weißen Plane, mit einigen wenigen verwelkenden Blumen im Vordergrund. Sie setzten gekonnt teilnahmsvolle Mienen auf und kannten die Sehnsucht vieler Menschen nach einem Augenblick im Rampenlicht.
    Die jungen Leute freuten sich über diese Abwechslung. »Jetzt gibt’s doch endlich mal was zu sehen«, sagte Karen. Linda fand die Uniformierten interessanter, die Presseleute seien so ungepflegt, klagte sie. Jetzt kicherten die beiden nicht mehr. Sie hatten einen Ausdruck erwachsener Empörung angenommen. Sie sprachen gedämpft über diesen entsetzlichen Mord, aber sie stritten energisch ab, daß jemand aus dem Ort der Täter sein könne. Sie wohnten schließlich ihr Leben lang hier und kannten alle.
    »Wo wart ihr denn gestern abend gegen sieben?« fragte der eine Journalist. Er sah den jungen Gesichtern an, wie sie in der Zeit zurückgingen.
    »Ich war bei ihr«, sagte Linda und zeigte auf Karen.
    Karen nickte. »Du bist um Viertel vor neun gefahren, was ist denn um neun passiert?« fragte sie.
    »Der Mord kann gegen neun passiert sein«, erklärte der Journalist.
    »Ein Kaufmann, der gleich beim Tatort wohnt, sagt, daß er leises Rufen und ein Auto gehört hat. Mitten während der Nachrichten.«
    Linda schwieg. Ihr war anzusehen, daß sie in ihren wirbelnden Gedanken suchte. Das, worüber sie eben noch so albern gelacht hatten, ließ ihr jetzt keine Ruhe. Als sie von Karen losgefahren war, war sie auch an der Wiese auf Hvitemeon vorbeigekommen. Und dort war sie jetzt wieder, in Gedanken. Sauste lautlos auf ihrem Fahrrad dahin. Sah am Straßenrand einen Wagen stehen und mußte ausweichen. Danach schaute sie zur Wiese und entdeckte dort draußen zwei Personen. Sie liefen hintereinander her, wie in einem übermütigen Spiel, ein Mann und eine Frau. Der Mann holte die Frau ein und riß sie um. Linda sah Arme und Beine herumwirbeln und war plötzlich perplex, als ihr aufging, was sie da sah. Zwei Menschen, die sich ganz einfach eine Nummer gönnen wollten. Ganz offen, in Gottes freier Natur, während sie selber auf dem Fahrrad vorüberkam und alles sehen konnte. Der Anblick war ihr peinlich und erregte sie zugleich, während sie sich darüber ärgerte, daß sie noch immer Jungfrau war. Die Angst, daß sie vielleicht als alte Jungfer sterben würde, setzte ihr schon lange zu. Deshalb versuchte sie, immer willig und zu allem bereit zu wirken. Aber diese beiden! Linda dachte nach. Die Journalisten warteten. Ihr kam ein verwirrender Gedanke. Wenn die beiden nun nicht gespielt hatten! Wenn er es auf sie abgesehen hatte, wenn Linda kein Liebesspiel beobachtet hatte, sondern das Verbrechen. Aber es hatte nicht ausgesehen wie ein Verbrechen. Der Mann lief hinter der Frau her. Die Frau stürzte, Arme und Beine. Ihr wurde plötzlich schlecht und sie trank mehrere große Schlucke Cola.
    »Du bist mit dem Fahrrad an Hvitemoen vorübergekommen?« fragte der Journalist. »So gegen neun?«
    »Ja«, sagte Linda. Karen spürte, wie sich ihre Stimmung geändert hatte und begriff den Ernst der Lage, denn sie kannte Linda ja.
    »Eine schreckliche Vorstellung. Vielleicht ist es gleich danach passiert.«
    »Aber du hast nichts gesehen? An der Straße oder in der Nähe?«
    Linda dachte an das rote Auto. Sie

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