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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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zuerst Sex hatten, und daß er sie dann umgebracht hat. Die beiden haben sie nicht bemerkt.«
    »Sie hatten keinen Sex«, sagte Sejer rasch. »Aber er kann es ja versucht haben. Was ist mit dem Auto?«
    Ohne es zu merken, hatte er die Fäuste geballt.
    »Ein rotes Auto. Ein interessantes rotes Auto«, sagte Soot. »Karlsen hat sich schon umgeschaut. Ein Typ in einem roten Volvo hat heute abend am Tatort gehalten. Und geglotzt. Sicherheitshalber haben sie seine Personalien aufgenommen. Hat sich seltsam verhalten.«
    »Name?« fragte Sejer.
    »Gunder Jomann.«
    Im Wachzimmer wurde es sehr still. »Das ist ihr Mann«, erklärte Sejer. »Und er kann es eigentlich nicht gewesen sein.«
    »Können wir uns da so sicher sein?«
    »Wenn ich das richtig verstanden habe, dann hat er zur Tatzeit im Zentralkrankenhaus gesessen. Da liegt seine Schwester. Ich werde das überprüfen. Du, Skarre, fährst zu Linda Carling. Da mußt du ansetzen. Sie hat das Auto gesehen.«
    »Alles klar«, sagte Skarre. »Aber es ist verdammt spät.«
    »In diesem Fall wird niemand geschont. Sonst noch was?« Er sah Soot an.
    »Nichts Entscheidendes.«
    »Etwas finde ich seltsam«, sagte Skarre, der gerade seine Lederjacke anzog. »Die Waffe. Womit hat er sie umgebracht? Auf der Wiese gibt es keine Steine. Und wenn er mit dem Auto da war und zum Werkzeug gegriffen hat, dann weiß ich nicht, was zu ihren Verletzungen passen könnte. Was hat man so im Wagen?« – »Einen Wagenheber, vielleicht«, sagte Sejer. »Schraubenschlüssel. Kleine Geräte. So was. Snorrason sagt, es war ein großer schwerer Gegenstand. Wir müssen noch mal die ganze Umgebung absuchen. Auf der anderen Seite ist ein See. Das Norevann. Er kann die Waffe hineingeworfen haben. Und den Koffer auch. Und wir müssen ihren Bruder finden.«
    »Ihren Bruder?« fragte Soot.
    »Ihren einzigen Verwandten. Und Jomanns Schwager. Wir müssen ihn so schnell wie möglich herschaffen.«
    »Endlich geht es los«, sagte Skarre begeistert.
     
    Lindas Bedürfnis nach Aufmerksamkeit war grenzenlos. Unter Menschen zu sein, die ganze Zeit gesehen zu werden, das war für sie lebenswichtig. Wenn sie allein war, fühlte sie sich wie ein Schatten. Aber jetzt war sie auf dem Weg in die Sonne. Und ein Polizist war zu ihr unterwegs. Sie lief hin und her und suchte ihre Bürste. Duschte und nahm das Lagerfeld-Gel ihrer Mutter. Dann rannte sie wieder vor das Haus und schaute auf die Straße. Noch kein Auto zu sehen. Sie öffnete ein Fenster, um es früher zu hören, und räumte den Couchtisch auf. Die Mädchenzeitschrift »Girls« war in der Mitte aufgeschlagen, bei einem Bild von Di Caprio. Sie legte sie in den Zeitschriftenkorb. Streifte die Pantoffeln ab und lief barfuß umher, während sie sich überlegte, was sie sagen würde. Es war wichtig, einen kühlen Kopf zu behalten und genau zu erzählen, was sie gesehen hatte, nicht das, was sie gesehen zu haben glaubte. Aber sie konnte sich nicht an vieles erinnern, und darüber ärgerte sie sich. In Gedanken ging sie ihre Fahrt noch einmal durch und formulierte einige Sätze. Das wenige, was sie ihm geben konnte. Denn natürlich würde ein Mann zu ihr kommen, sie kam gar nicht erst auf die Idee, daß es eine Polizistin sein könnte, obwohl sie wußte, daß es welche gab. Als sie endlich einen Wagen und knirschende Reifen auf dem Kiesweg hörte, machte ihr Herz einen heftigen Sprung. Sie hörte die Türklingel, trödelte aber noch ein wenig, sie wollte nicht wie ein Kind hinstürzen. Dann dachte sie, sie habe sich vielleicht zu heftig aufgebrezelt, und sie rannte ins Badezimmer, um sich ein wenig zu zerzausen. Als die Tür dann endlich aufging, starrte Skarre eine junge Frau an, die erhitzt und kurzatmig war, mit roten Wangen und einer ihren Kopf umwogende Haarwolke. Und die nach schwerem Parfüm roch.
    »Linda Carling?« fragte er lächelnd.
    In diesem Augenblick passierte etwas in Lindas Kopf. Sie starrte den jungen Beamten hingerissen an. Die Außenbeleuchtung ließ Skarres blonde Locken funkeln. Seine schwarze Lederjacke glänzte. Seine blauen Augen trafen sie wie ein Blitz. Ihr schwindelte. Plötzlich war sie wichtig. Sie konnte nicht mehr sprechen, sie war angespannt. Wie ein schußbereiter Bogen stand sie in der offenen Tür.
    Skarre musterte sie neugierig. Dieses Mädchen konnte im Moment des Verbrechens an Hvitemoen vorbeigefahren sein. Aber war sie eine zuverlässige Zeugin? Frauen machten bessere Aussagen als Männer, das wußte er. Sie war jung,

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