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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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sagte Gunder mit festerer Stimme. »Das läßt sich nicht vermeiden. Ich muß sie mir wohl mal ansehen. Diese Tote. Damit wir die Sache ein für allemal hinter uns bringen können.« Seine Stimme wurde jetzt durch seine unregelmäßigen Atem zu einem hackenden Stakkato.
    »Leider. Das ist nicht möglich.«
    »Wieso nicht?« fragte Gunder verwundert.
    »Sie läßt sich nicht identifizieren.«
    »Jetzt begreife ich nicht, was Sie meinen«, sagte Gunder unruhig. »Wenn es meine Frau ist, dann sehe ich das sofort. Und wenn sie es nicht ist, dann sehe ich das auch.«
    »Nein«, sagte Sejer. Und wie hilfesuchend blickte er zu Skarre hinüber.
    »Sie ist nach allem, was ihr angetan worden ist, nicht mehr zu erkennen«, sagte Skarre behutsam.
    »Nicht mehr zu erkennen?«
    Gunder starrte seine Knie an. Endlich begriff er, was Skarre da gesagt hatte.
    »Ja, aber, wie sollen wir die Sache denn dann klären?«
    Seine Augen waren groß vor Entsetzen.
    »Der Schmuck«, sagte Sejer. »Ist das der, den Sie Ihrer Frau geschenkt haben?«
    Vor Gunders Augen drehte sich alles.
    »Wenn Sie das glauben, dann müssen wir uns an ihren Bruder in Neu-Delhi wenden und um Hilfe von dort fragen. Wir haben ihre Papiere noch nicht gefunden. Aber vielleicht hatte sie dort einen Zahnarzt.«
    »Ich glaube nicht, daß sie oft zum Zahnarzt gegangen ist«, sagte Gunder hilflos.
    »Was ist mit anderen Kennzeichen?« fragte Sejer. »Muttermale, Warzen. Hatte sie welche?«
    Gunder schluckte. Sie hatte eine Narbe. Weil ihr einmal ein Glassplitter aus einer Schulter entfernt worden war, hatte sie eine dünne feine Narbe, die heller war als die übrige Haut. Auf der linken Schulter. Die Wunde war mit vier Stichen genäht worden. Gunder dachte daran, schwieg aber.
    »Oder Narben?« fragte der Hauptkommissar. Wieder starrte er Gunder an. »Die Tote hat eine Narbe auf der linken Schulter.«
    Gunder krümmte sich zusammen. »Aber was ist mit dem Koffer? Niemand fährt doch ohne Koffer von Indien nach Norwegen!«
    »Einen Koffer haben wir noch nicht gefunden«, sagte Sejer. »Der Täter hat ihn offenbar weggeschafft. Aber sie hatte eine Tasche. Und die ist ziemlich auffällig.«
    Er öffnete die braune Tüte. Langsam kam die gelbe Tasche zum Vorschein. Und in diesem Moment dankte Sejer dem ansonsten so grausamen Schicksal. Die Tasche war sauber, nicht vom Blut besudelt.
    Gunder hatte sich so lange an der Hoffnung festgeklammert. Es tat auf seltsame Weise fast gut, sie endlich loszulassen.
    »Herr Jomann?« fragte Sejer. »Ist das die Tasche Ihrer Frau?«
     

DER ANBLICK DES GEBROCHENEN MANNES 
    ließ ihm keine Ruhe. Der Moment, als Jomann endlich aufgegeben hatte. Seine Stimme, als er darum gefleht hatte, seine tote Frau sehen zu dürfen. Ich muß doch Rechte haben, hatte Jomann gefragt. Können Sie mir das wirklich verweigern?
    Das konnte Sejer nicht. Er konnte ihn nur bitten, sich das nicht anzutun. »Sie hätte nicht gewollt, daß Sie sie so sehen«, sagte er eindringlich. Gunder war nur ein Schatten seiner selbst, als er den Flur entlangging. Eine Polizistin sollte ihn nach Hause fahren. In ein leeres Haus. Wie sehr er auf Poona gewartet haben mußte! Sicher hatte er sich wie ein Kind gefreut! Sejer dachte an den Trauschein, den er ihnen voller Stolz gezeigt hatte. Dieses wichtige Dokument, das seinen neuen Status unter Beweis stellte.
    »Sie heißt Poona Bai«, sagte Sejer später, als er in der offenen Tür zum Wachzimmer stand. »Kommt aus Indien. War zum ersten Mal in Norwegen.«
    Soot, der wieder am Hinweistelefon saß, riß die Augen auf.
    »Soll die Presse das erfahren?«
    »Nein. Wir haben keine Papiere. Aber ein Mann aus Elvestad hat sie erwartet. Sie haben am 4. August in Indien geheiratet. Sie war unterwegs zu ihm.«
    Er beugte sich vor und schaute auf den Bildschirm.
    »Was hast du da?«
    »Eine junge Frau«, sagte Soot aufgeregt. »Hat eben angerufen. Du mußt jemanden hinschicken. Linda Carling, sechzehn Jahre alt. Ist am 20. mit dem Fahrrad an Hvitemoen vorübergefahren, abends, um kurz nach neun. Am Straßenrand stand ein rotes Auto, und ein Mann und eine Frau waren auf der Wiese zugange.«
    »Zugange?« fragte Sejer.
    Er war plötzlich hellwach.
    »Es fiel ihr schwer, die richtigen Worte zu finden«, sagte Soot. »Sie dachte, die wollten eine Nummer schieben. Sie liefen hintereinander her, wie bei einem Spiel. Danach sind sie ins Gras gefallen. Später hat sie sich überlegt, daß sie vielleicht Opfer und Mörder gesehen haben kann. Daß sie

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