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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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sagte Sejer und kniff die Augen zusammen. »Denen entgeht wirklich nicht viel.«
    »Die schlafen im Auto«, sagte Skarre düster.
    Dann wandte er sich an Sejer.
    »Er ist ja mächtig stolz auf seine indische Frau.«
    Sejer nickte.
    »Warum hat er uns nicht angerufen?«
    »Weil er es nicht glauben will.«
    Gunder kam heraus. Er trug eine braune Tweedjacke. Er machte sich kurz an den Knöpfen zu schaffen, er sah aus wie ein großes trotziges Kind, das nicht weitergehen will. Jetzt sollte er sich also Schmuckstücke ansehen. Das konnte er wohl nicht verweigern. Doch er ärgerte sich. Er war außerdem müde und hatte Sorgen genug. Doch es war natürlich schlimm, daß niemand wußte, wer die Tote war.
    Während der halben Stunde Fahrt wurde nicht viel geredet. Sejer stieg aus und öffnete für Gunder die Tür. Wenn Gunder sich das so überlegte, dann konnte er sich nicht daran erinnern, daß er in seinem Leben jemals mit einem Polizisten geredet hätte. Abgesehen von diesem griesgrämigen Typen bei Hvitemoen, fiel ihm dann ein. Aber diese beiden hier waren freundlich. Der jüngere war offen und munter, der ältere höflich und korrekt. Er war auch noch nie auf der Wache gewesen. Sie fuhren mit dem Fahrstuhl nach oben. Gunder dachte an Karsten und hoffte, daß der ein wenig Schlaf finden würde. Ich muß wieder zur Arbeit, dachte er. Dieses Chaos muß ein Ende haben.
    Jetzt standen sie in Sejers Büro. Sejer schaltete eine Lampe ein und wählte eine Telefonnummer.
    »Wir sind hier. Du kannst kommen.«
    Er bot Gunder einen Stuhl an. Gunder spürte den tiefen Ernst im Raum, er schaute zur Tür hinüber, dem entgegen, was sich jetzt näherte. Einfach nur Schmuck. Er vergaß das Atmen. Begriff diese Spannung nicht, er sollte sich doch nur ein paar Schmuckstücke ansehen und bestätigen, daß er die noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Niemals. Skarre wollte ihm die Jacke abnehmen, aber Gunder wollte sie anbehalten. Eine Beamtin kam herein. Gunder registrierte ihre Schultern, sie wirkten breit, durch die Achselklappen ihres Uniformhemdes. Sie trug dicke schwarze Schnürschuhe. In einer Hand hielt sie eine braune Papiertüte und einen schmalen gelben Briefumschlag. Die braune Tüte wäre groß genug für ein Brot, dachte Gunder. Die Beamtin legte alles auf Sejers Schreibtisch und verschwand wieder. Was mochte in dem schmalen Briefumschlag stecken? Und in der braunen Tüte? Wofür hielten sie ihn eigentlich? Warum hatten sie ihn wirklich geholt? Ihm war schwindlig. Im Zimmer brannte nur die Schreibtischlampe, sie strahlte die Tischplatte an, Sejers Schreibunterlage, eine Weltkarte. Jetzt schob er die Schreibunterlage beiseite, die klebte an der Tischplatte fest und löste sich mit einem widerlichen Reißgeräusch. Dann griff er zu dem mit einer Büroklammer verschlossenen Briefumschlag. Gunders Herz hämmerte. Alle Geräusche im Zimmer verstummten, nur sein Herz war noch zu hören. Dann drehte Sejer den Briefumschlag um, und leise klirrend fielen die Schmuckstücke heraus. Sie lagen auf dem Tisch und funkelten im Lampenlicht. Ein Ohrring mit einer Kugel. So einen ähnlichen hatten Poona einmal getragen, als sie zusammen durch die Stadt gegangen waren. Zwei schmale Ringe, ganz anonym, ein rotes Gummiband, sicher für die Haare. Doch dieses andere, große, das teilweise von den Ringen verdeckt wurde, das kam jetzt langsam in seiner ganzen Schönheit zum Vorschein. Eine schöne Silberbrosche. Gunder keuchte auf. Sejer hob den Kopf und sah ihn an.
    »Kommt Ihnen das bekannt vor?«
    Gunder schloß die Augen. Trotzdem sah er das Schmuckstück. Er sah noch die kleinste Einzelheit, weil er es so oft gesehen hatte. Doch dann erinnerte er sich daran, daß es viele Broschen dieser Art gab, die sich alle ungeheuer ähnlich waren. Warum also sollte gerade die hier Poona gehört haben?
    »Mit Sicherheit kann ich das nicht behaupten«, sagte Gunder mit belegter Stimme. »Solche Schmuckstücke sehen doch alle gleich aus.«
    »Ich verstehe«, Sejer nickte. »Aber können Sie es ausschließen? Können Sie mit absoluter Sicherheit sagen, daß das nicht die Brosche ist, die Sie Ihrer Frau geschenkt haben?«
    »Nein.« Gunder hustete in seine Handfläche. »Sie hat schon Ähnlichkeit. Vielleicht«, fügte er hinzu. Skarre nickte stumm und schaute zu seinem Chef hinüber.
    »Diese Frau, von der hier die Rede ist«, sagte Sejer, »sie kann, soviel wir bisher wissen, durchaus aus Indien stammen.«
    »Ich weiß ja, daß Sie glauben, daß sie es ist«,

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