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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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wir wissen nicht, warum er so verzweifelt ist.
    »Das glauben wir durchaus nicht«, sagte Sejer. »Uns geht es darum, sie ausschließen zu können. Manchmal arbeiten wir so. Wir wissen nicht, wer diese Tote ist, und das macht uns zu schaffen. Deshalb möchten wir Ihnen einige einfache Fragen stellen. Vermutlich können wir dann gleich hier und jetzt entscheiden, ob noch weitere Untersuchungen vorgenommen werden müssen.«
    »Ja«, sagte Gunder. Er versuchte, sich zu beruhigen.
    »Zu allererst. Haben Sie ein Bild von Ihrer Frau?«
    Gunders Blick irrte umher. »Nein«, log er.
    »Nicht?«
    »Die Zeit hat nicht für ein richtiges Hochzeitsfoto gereicht. In vierzehn Tagen kann man doch nicht alles schaffen«, sagte er abweisend.
    »Nein. Natürlich nicht. Aber ich dachte auch eher an ein normales Foto. Eins, das Sie bei irgendeiner Gelegenheit von ihr gemacht haben.«
    »Nein. So was habe ich nicht.«
    Er lügt . Er will uns das Bild nicht zeigen .
    »Aber Sie können sie uns doch sicher beschreiben. Vielleicht reicht das schon.«
    Gunder schloß die Augen.
    »Sie ist hübsch«, sagte er, und sein Mund verzog sich zu einem breiten Lächeln. »Ziemlich schlank und zart, keine große, schwere Frau. Inderinnen sind nicht so groß. Ich meine, nicht so groß wie die Norwegerinnen.«
    »Ja, das stimmt.« Sejer lächelte. Er war fasziniert von diesem verlegenen Mann und seiner schlichten Ausdrucksweise.
    »Und sie hat braune Augen und schwarze Haare. Lange Haare, bis über ihre Hüften. Und die sind immer zu einem langen Zopf geflochten.«
    Die beiden Männer nickten. Sejer sah ein wenig besorgt aus.
    »Wie zieht sie sich an?«
    »Ganz normal. Wie Norwegerinnen auch. Außer zu besonderen Gelegenheiten. Und sie trägt Sandalen. Das tun da unten alle. Flache braune Sandalen. Sie hat in einem Tandoori-Restaurant gearbeitet und brauchte bequeme Schuhe. Aber wenn sie sich feinmachen wollte, nahm sie andere Kleidung und andere Schuhe. Bei unserer Hochzeit hat sie einen Sari und goldene Sandalen getragen.«
    Jetzt herrschte Schweigen in Gunders Wohnzimmer.
    »Andererseits«, sagte Gunder rasch, denn dieses Schweigen machte ihm angst, »viele Inderinnen haben lange Zöpfe und Goldsandalen.«
    »Richtig«, sagte Sejer laut. »Und sonst«, fügte er hinzu. »Würden Sie ein wenig über Ihre Reise erzählen?«
    Gunder blickte ihn verständnislos an. Zugleich tat es gut, mit einem interessierten Zuhörer über Poona zu sprechen.
    »Wie haben Sie Ihre Hochzeit gefeiert?« fragte Sejer.
    »Die war ganz schlicht. Nur wir beide. Wir waren in einem sehr schönen Restaurant, das Poona kannte. Wir hatten ein Menü mit Dessert und Kaffee. Danach sind wir in einem Park spazierengegangen und haben Pläne für zu Hause gemacht, für Haus und Garten. Poona möchte am liebsten arbeiten. Sie spricht sehr gut Englisch und kann zupacken. Nicht viele Norwegerinnen haben so ein Tempo, das kann ich Ihnen sagen.« Gunder hatte sich warm geredet und war rot im Gesicht. »Und dann hatte sie ein Geschenk für mich gekauft. Einen Liebeskuchen, ich mußte ihn ganz aufessen. Er war schrecklich, süß und klebrig, aber ich konnte ihn doch runterwürgen. Ja, für Poona hätte ich auch einen indischen Elefanten verspeist, wenn sie mich darum gebeten hätte.«
    Er errötete noch mehr, nachdem er so offen gewesen war. Sejer wurde von tiefer Traurigkeit erfüllt.
    »Was haben Sie ihr geschenkt?« fragte Skarre lächelnd.
    »Ich muß zugeben, daß ich da sehr voreilig gehandelt hatte«, sagte Gunder. »Ich dachte, vielleicht lerne ich ja jemanden kennen. Ich wußte ja, was mich erwartete, ich wußte, wie schön die Frauen in Indien sind. Ich habe ja schließlich Bücher gelesen. Ich hatte ein Schmuckstück für sie gekauft. Einen norwegischen Trachtenschmuck«, sagte er.
    In dem kleinen Wohnzimmer war nicht ein einziges Geräusch zu hören.
    »Herr Jomann«, sagte Sejer leise. »Damit wir in diesem schwierigen Fall auch nicht eine einzige Möglichkeit übersehen, muß ich Sie bitten, uns zu begleiten.«
    Gunder erbleichte.
    »Es ist doch schon so spät«, murmelte er. »Hat das nicht Zeit bis morgen?«
    Sie baten ihn, sich anzuziehen. Warteten vor der Tür und sagten auf der Wache Bescheid. Gunder Jomann sollte sich den Schmuck des Opfers ansehen. Ohrgehänge, Ringe. Und die Silberbrosche. Die beiden Männer standen wartend auf dem Hof, als langsam ein Auto vorüberfuhr. Vor Gunders Briefkasten hielt es an, und sie sahen, daß der Fahrer das Namensschild las.
    »Presse«,

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