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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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selber. Aber der hatte sich nicht gemeldet. Warum nicht? Skarre sah vor dem Lokal zwei Autos, einen grünen Lieferwagen und einen roten Toyota. Weinrot, dachte er automatisch, nicht rot wie ein Feuerwehrwagen. Als er die Tür öffnete, fiel sein Blick auf die Musikbox. Für einen Moment blieb er stehen und bewunderte sie, neugierig auf die Musik, die sie enthielt. Zu seiner Überraschung sah er, daß alles alt war. Fast doppelt so alt wie er selber. Dann riß er sich los und ging zum Tresen. Zwei Frauen saßen am Fenster und tranken Kaffee. Ein rothaariger, schlaksiger Mann saß mit einer Zeitung auf den Knien hinter dem Tresen.
    »Machen Sie hier eine Umfrage?« fragte Einar rasch.
    »So was Ähnliches«, sagte Skarre lächelnd. Weil er immer lächelte, wirkte er ziemlich harmlos, und niemand traute ihm einen Verdacht zu.
    »Können wir uns hier irgendwo ungestört unterhalten?«
    »Sie machen’s aber spannend!«
    Einar Sunde öffnete seine Klappe im Tresen und ließ Skarre durch. Sie gingen in Einars Büro. Dort herrschte das Chaos, der Boden lag voller Sachen, aber Einar zog für Skarre einen Stuhl heran. Er selber setzte sich auf einen Bierkasten.
    »Ich habe heute in der Taxizentrale angerufen«, sagte Skarre. »Und deshalb bin ich hier.«
    Sofort war Einar auf der Hut.
    »Ein Fahrer hat am 20. August von Gardermoen eine Frau hergefahren. Er hat sie vor Ihrem Lokal abgesetzt. Als letztes hat er gesehen, daß die Frau sich die Treppe hier hochgeschleppt hat, mit einem Koffer in der Hand.«
    Einar schwieg und hörte zu.
    »Die Frau kam aus Indien. Sie trug einen dunkelblauen Kittel und eine weiße Hose. Sie hatte einen langen Zopf, der ihr über den Rücken fiel.«
    Wieder nickte Einar. Er schien heftig nachzudenken.
    »Und deshalb frage ich Sie«, sagte jetzt Skarre, »ob am Abend des 20. eine solche Frau hier war.«
    »Doch, das stimmt«, sagte Einar widerwillig. »Ich kann mich an sie erinnern.«
    »Dann werden Sie mir jetzt vielleicht alles erzählen?« fragte Skarre und lächelte.
    »Da gibt es nicht viel. Sie stellte ihren Koffer neben der Musikbox ab und wollte eine Tasse Tee«, sagte Einar. »Setzte sich dahinten in die Ecke. Ich hatte nur Lipton. Aber das schien ihr recht zu sein.«
    »Haben Sie mit ihr gesprochen?«
    »Nein«, sagte Einar abwehrend.
    »Haben Sie den Koffer gesehen?« fragte Skarre.
    »Den Koffer? Ja, sicher, ich habe einen braunen Koffer gesehen. Den hatte sie bei der Musikbox abgestellt. Dann kam sie zum Tresen und bat um einen Tee. Eigentlich kam sie mir angespannt vor. Als ob sie auf jemanden wartete.«
    Skarre versuchte, sich ein Bild von Einar und von dessen Wesen zu machen. Einar war verschlossen. Starr. Und auf der Hut.
    »Wie lange war sie hier?«
    »Vielleicht fünfzehn Minuten.«
    »Aha. Und dann?«
    »Dann ging die Tür, und damit war sie verschwunden.«
    Beide verstummten und dachten nach.
    »Hat sie ihren Tee mit norwegischem Geld bezahlt?«
    »Ja.«
    »Und jetzt, im nachhinein, wie denken Sie so über diese Frau?«
    Einar zuckte resigniert mit den Schultern. »Naja, sie war es wohl. Die draußen auf Hvitemoen gefunden worden ist.«
    »Genau«, sagte Skarre. »So einfach ist das. Auf die Idee, uns anzurufen, sind Sie wohl nie gekommen?«
    »Ich wußte doch nicht, daß sie das war. Hierher kommen so viele Leute.«
    »Aber nicht viele Inderinnen, oder?«
    »Wir haben hier mehrere Einwanderer oder Flüchtlinge, oder wie die nun heißen. Ich kann den Unterschied nicht erkennen. Aber natürlich, ich hätte wohl mit der Möglichkeit rechnen sollen. Also kann ich nur bedauern«, sagte er mürrisch. »Aber jetzt haben Sie das ja alles selber herausgefunden.«
    »Ja, das tun wir in der Regel«, sagte Skarre und schaute Einar ins Gesicht. »In welche Richtung ist sie dann gegangen?«
    »Keine Ahnung. Ich habe nicht aus dem Fenster gesehen, und es hat mich auch nicht interessiert.«
    »Waren sonst noch Gäste im Lokal?«
    »Keine«, sagte Einar. »Es war zu spät zum Kaffee und zu früh zum Bier.«
    »Hat sie Englisch gesprochen?«
    »Ja.«
    »Aber sie hat Ihnen keine Fragen gestellt? Gar keine?«
    »Nein.«
    »Sie wollte auch nicht telefonieren oder was weiß ich?«
    »Nein.«
    »Was haben Sie gedacht, wer sie sein könnte und wohin sie wollte? Eine Ausländerin, allein, mit einem großen Koffer, mitten auf dem Land, abends?«
    »Nichts. Ich interessiere mich nicht so sehr für Leute. Ich bediene sie, das ist alles.«
    »War sie schön?« fragte Skarre. Er starrte Einar Sunde ins

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