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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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das ist ja auch sein gutes Recht.«
    Sara stand auf und setzte sich zu Kollberg auf den Boden. Streichelte seinen Rücken. Er sah, wie das riesige Tier sich zufrieden unter ihren Händen zurechtlegte.
    »Er hat einen Knubbel unter dem Fell«, sagte sie plötzlich. »Hier. Auf dem Rücken.«
    Sejer blickte sie skeptisch an.
    »Mehrere«, sagte sie. »Drei oder vier. Ist dir das noch nicht aufgefallen, Konrad?«
    »Nein«, sagte er leise.
    »Du mußt mit ihm zum Tierarzt.«
    In Sejers sonst so ruhigem Gesicht war eine leichte Angst zu sehen.
    »Du weißt«, sagte Sara. »Er ist in einem Alter, wo so etwas passieren kann. Und ein Hund von seiner Größe – wie alt ist er jetzt?«
    »Zehn.«
    Er saß noch immer auf dem Sofa. Wollte diese Knubbel nicht berühren. Die Angst stieg in ihm hoch wie kaltes Wasser. Widerwillig erhob er sich und suchte mit den Fingern in dem dichten Fell.
    »Ich rufe morgen früh an.«
    Er setzte sich wieder und griff nach seinem Tabak, um sich eine Zigarette zu drehen. Seine Tagesration bestand aus einem Whisky und einer Zigarette. Sara musterte ihn liebevoll.
    »Du bist so ungeheuer diszipliniert.«
    Sejer hatte sie ausgesperrt. War vor der Sache mit dem Hund in etwas anderes geflohen. Das sah sie seinen Augen an.
    »In der Gegend ist wenig Durchgangsverkehr«, sagte er zerstreut.
    »Wo bist du jetzt?« fragte Sara verwirrt.
    »In Elvestad. Aller Wahrscheinlichkeit nach wohnt er dort.«
    »Schön für euch. Das tun doch sicher nicht viele?«
    »Über zweitausend.«
    »Ich kann beim Tierarzt einen Termin machen. Ich kann ihn auch hinbringen. Du hast doch soviel um die Ohren.«
    Er gab sich Feuer. Die Zigarette war sehr dick.
    »Du könntest dir auch zwei dünne drehen«, neckte sie.
    »Das sind doch sicher nur Zysten. Solche mit Wasser.«
    Sie hörte die Angst in seiner Stimme, hörte, wie er die Furcht zurückdrängte. Die Schwellungen enthielten kein Wasser, da war sie sich sicher.
    »Wir müssen ihn untersuchen lassen. Er hat Probleme auf der Treppe.«
    »Vielleicht haben wir ja sogar schon mit dem Täter gesprochen«, sagte er vage.
    Sara schüttelte kurz den Kopf. Sie versuchte, Kollbergs Rücken zu streicheln. Der Hund kam ihr müde vor. Sejer wollte das nicht sehen. Er hatte eine tiefe Furche auf der Stirn. Das mit den Knubbeln erinnerte ihn an etwas. Er hielt sich in einem Raum auf, zu dem sie keinen Zugang hatte.
    »Er hat auch abgenommen. Wann hast du ihn zuletzt gewogen?«
    »Er wiegt siebzig Kilo«, sagte Sejer eigensinnig.
    »Ich kann die Badezimmerwaage holen.«
    »Bist du noch gescheit?« Er runzelte die Stirn noch mehr. Als sie das Zimmer verlassen hatte, fiel er auf die Knie. Hob den schweren Hundekopf hoch und starrte in die schwarzen Augen.
    »Du bist doch nicht krank, Alter? Du bist nur einfach nicht mehr der Jüngste. Das bin ich ja auch nicht.«
    Er legte den Kopf behutsam auf die Vorderpfoten des Hundes. Sara brachte die Badezimmerwaage.
    »Du«, sagte er unsicher. »Er ist kein Zirkuselefant.«
    »Wir versuchen es«, sagte sie. »Ich hole eine kalte Kartoffel.«
    Der Hund ahnte, daß etwas passieren würde, und erhob sich neugierig. Sie stellten die Waage auf null und schoben ihn hinauf. Dann hielten sie seine Füße zusammen, und Sara umfaßte seine Seiten. Sie wußte, daß Kollberg die Kartoffel roch und deshalb umgänglich war. Nach einiger Ermunterung gab er Pfötchen, während er auf seinen drei übrigen Beinen schwankte. Sejer starrte das digitale Display an. Vierundfünfzig Komma neun.
    »Er hat fünfzehn Kilo abgenommen«, sagte Sara ernst.
    »Das ist das Alter«, entgegnete Sejer rasch.
    Kollberg verschlang die Kartoffel und legte sich wieder hin.
    Sara schmiegte sich an Sejers Brust. »Erzähl mir ein schönes Märchen«, sagte sie.
    »Ich kenne keine Märchen. Ich weiß nur wahre Geschichten.«
    »Dann nehme ich so eine.«
    Er legte die Zigarette auf den Rand des Aschenbechers. »Vor vielen Jahren hatte ich einen kleinkriminellen Knaben namens Martin. Er hieß nicht so, aber wie du stehe auch ich unter Schweigepflicht.«
    »Martin ist mir recht«, sagte sie.
    »Er kam immer wieder. Machte alles mögliche. Autodiebstahl, Schwindeleien, Garageneinbrüche. Er war labil und hatte ein endloses Vorstrafenregister, in der Regel Strafen von drei oder vier Monaten. Außerdem soff er. Ansonsten war er ein wirklich bezaubernder Mann. Mit grauenhaft schlechten Zähnen. Er hatte nur noch ein paar verfaulte Stummel. Beim Lachen hielt er sich immer die Hand vor den Mund.

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