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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Und eine sehr schöne Küche, sagte er. Bai schaute aus dem Fenster, aus dem Fenster, aus dem Fenster.
    Bai schwieg. Im tiefsten Herzen mußte er ja doch geahnt haben, was Gunder wollte. Sie fuhren zur Kirche von Elvestad. Einer schönen Holzkirche mit einem leicht abfallenden Friedhof, der noch immer grün und üppig war. Auch einzelne Blumen waren noch zu sehen. Die Kirche war bescheiden, leuchtete aber in ihrer Umgebung auf. Gunder hielt an und stieg aus. Bai blieb sitzen. Aber Gunder ließ nicht locker. Er war jetzt in Gang, das hier war der letzte Zug, alle verbliebenen Kräfte wurden für dieses eine Ziel aufgeboten. Seine tote Frau behalten zu dürfen. Er öffnete die Beifahrertür und stand fordernd und abwartend da. Widerwillig verließ Bai das Auto. Betrachtete Kirche und Friedhof aus zusammengekniffenen Augen.
    »Wenn Poona bleiben darf, dann wird sie hier liegen. Ich werde jeden Tag kommen. Blumen pflanzen und sie pflegen. Ich habe Zeit. Ich werde Poona alle Zeit geben, die ich überhaupt habe.«
    Bai schwieg, aber er hörte zu. Wenn der Friedhof ihm gefiel, dann zeigte er das nicht. Er sah eher erstaunt aus. Gunder lief zwischen den Gräbern umher. Bai folgte ihm in sicherer Entfernung. Er sah, daß Gunder bei einem Grab stehenblieb, und näherte sich vorsichtig.
    »My mother«, sagte Gunder leise. »Poona would not be alone.«
    Bai starrte stumm den Grabstein an.
    »Do you like it?« fragte Gunder und sah ihn an. Bai zuckte mit den Schultern. Gunder haßte ihn dafür. Poona hätte das nie gemacht, sie antwortete immer klar und deutlich.
    »Jetzt fahren wir zum Haus«, sagte Gunder und ging zum Auto zurück. Er hatte noch immer sein Ziel im Auge, aber seine Kräfte gingen zur Neige. Sie fuhren auf den Hofplatz. Bai musterte Garten und Aussicht.
    »Apples«, sagte Gunder und zeigte auf die Bäume. »Very good apples.«
    Bai nickte. Sie betraten den Flur. Gunder zeigte ihm das Wohnzimmer, führte ihn in die Küche, ins Badezimmer und hinauf in den ersten Stock. Dort gab es zwei Schlafzimmer. Ein großes, das für ihn und Poona gedacht war, und ein kleineres, das als Gästezimmer diente. Marie schlief dort, wenn sie zu Besuch war. Hatte immer dort geschlafen.
    »Your room. If you came to visit«, sagte Gunder. »We wanted to invite you.« Bai starrte in den schlicht möblierten Raum. Ein Bett mit einer gehäkelten Tagesdecke stand bereit. Das Zimmer hatte blaue Vorhänge und eine Lampe auf dem Nachttisch. Wenn Bai beeindruckt war, dann zeigte er das nicht. Sie sahen sich den Rest des Hauses an. Gunder sehnte sich nach einem Wort von Bai, doch der schwieg. Sie waren fertig und hatten alles gesehen. Gunder kochte Kaffee und holte süße Fladen aus der Tiefkühltruhe. Marie hatte sie gebacken, dazu gab es Butter und Zucker und Zimt. In Indien wurde viel mit Zimt gewürzt, das wußte Gunder. Vielleicht würden Bai die Fladen ja schmecken. Aber der rührte sie nicht an. Er gab sehr viel Zucker in seinen Kaffee, aber auch der schmeckte ihm nicht. Wieder verlor Gunder den Mut.
    »I must take my sister home«, sagte Bai. Seine Stimme klang nicht mehr hart, war aber weiterhin energisch. Gunder hielt es nicht mehr aus. Er brach schluchzend in seinem Sessel zusammen. Ihm war es doch egal, was dieser Mann dachte. Seine Augen flossen über. Kein einziges Wort hatte er noch, alle waren verbraucht. Bai schwieg, während Gunder weinte. Die Uhr an der Wand tickte erbarmungslos.
    Gunder wußte nicht, wie lange sie nun schon so saßen. Vage registrierte er vom Sofa her eine Bewegung. Bai erhob sich. Vielleicht wollte er das Haus aus Protest verlassen und den langen Weg in die Stadt zu Fuß zurücklegen. Aber das tat er nicht. Er lief noch einmal durch das Haus. Gunder blieb sitzen. Sollte der andere doch glotzen, soviel er wollte. Doch dann sah er aus dem Augenwinkel heraus, daß Bai das Bild von Gunder und Poona an der Pinnwand anstarrte. Danach ging er in die Küche. Gunder saß in seinem Sessel, noch immer strömten die Tränen. Dann stand Bai auf dem Flur, ging die Treppe zum ersten Stock hoch. Gunder hörte seine Schritte, leichte, vorsichtige Schritte. Der andere kam wieder herunter und ging hinaus auf den Hof. Gunder konnte ihn im Garten sehen. Er stand unter den Apfelbäumen und betrachtete die Aussicht. Endlich kam er wieder ins Haus. Der Kaffee in den beiden Tassen war kalt geworden. Bai setzte sich auf die Sofakante.
    »My sister can stay«, sagte er einfach. Gunder traute seinen Ohren nicht und schaute ihn

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