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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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müssen, nehme ich an. Und dann muß er rund um die Uhr geöffnet halten, wenn er überleben will. Ich sehe ihn schon im Schlafsack im Hinterzimmer. Dieses Weibsstück taugt einfach nichts«, schloß er gnadenlos.
    »Einar war ja wohl auch nie ein Sonnenstrahl«, meinte Gunwald und fragte sich, was das alles zu bedeuten haben mochte.
    »Vielleicht verkauft er das Lokal und zieht um«, sagte er plötzlich. »Und wir kriegen ein Chinarestaurant.«
    »Hätte ich nichts gegen«, sagte Mode. Er zog noch ein Brötchen aus der Tüte. Es war weich wie ein Schwamm und ließ sich zu allerlei Formen quetschen.
    »Noch was über Jomann gehört?« fragte er dann.
    »Krankgeschrieben«, sagte Gunwald. »Denk doch bloß an alles, was er erlebt hat. Sitzt meistens wohl im Krankenhaus. Schrecklich, das mit seiner Schwester. Kann passieren, daß sie aufwacht und nicht weiter ist als eine Zweijährige. Ihr Mann hat sich offenbar von allem zurückgezogen. Er geht wie immer ins Büro und wartet auf den Anruf.«
    »Was soll er auch sonst machen«, sagte Mode. »Nach so langer Zeit kommt sie sicher nicht mehr zu sich. Entweder geht es ganz schnell, oder sie werden nie mehr wach.«
    »Ich habe von Leuten gehört, die jahrelang im Koma gelegen haben«, wandte Gunwald ein.
    »Das passiert nur in Amerika«, sagte Mode und kniff die Augen zusammen.
    Dann schlenderte er zur Shell-Tankstelle zurück. Gunwald dachte nach. Er hatte das Gefühl, sein Dorf sei überfallen worden. Von einer fremden Macht, die überall eindrang und sie aus ihrem Alltag riß. Die sie in gute Stimmung und zugleich in Angst versetzte, die sie bestenfalls zusammenbrachte und ihnen ein Gefühl von Gemeinschaft gab, und die sie schlimmstenfalls nachts in Panik stürzte, in der Dunkelheit, unter der Decke. Das Leben ging trotz allem weiter, erschien aber jetzt in einem neuen Licht. Sie sahen mehr als früher, schienen alles wie zum ersten Mal wahrzunehmen. Gunwald hatte das Gefühl, Einar zum ersten Mal zu sehen. Und er fragte sich, wer dieser Mann sein mochte. Und Gøran. Und Jomann. Der allein in ein fremdes Land gefahren war, um sich eine Frau zu suchen. Linda auf dem Fahrrad, die alle auf unterschiedliche Weise anstarrten, so daß sie aus dem Gleichgewicht geriet. Sie war immer schon hektisch gewesen, doch jetzt flackerten ihre Augen unruhig hin und her. Es war klar, was die anderen dachten. Sie hätte die Klappe halten müssen. Gunwald trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Die Polizei mußte diesen Fall lösen, mit oder ohne seine Hilfe. Er ging auf den Hinterhof und schaute in den Trinknapf des Hundes. Der war fast leer. Er füllte ihn und setzte ihn auf den Boden.
    »Ab und zu denke ich an dich«, sagte er. »Du warst doch draußen auf dem Hof. Du mußt gesehen haben, was auf der Wiese passiert ist. Wenn du nur reden könntest. Wenn du mir ins Ohr flüstern könntest: Ich kenne ihn. Ich kenne seinen Geruch. Wenn ich ihm begegne, werde ich wie wild bellen, und dann weißt du, daß er es ist. So wie im Film«, sagte Gunwald ernst und streichelte das seidenweiche Fell. »Aber das hier ist kein Film. Und du bist nicht besonders klug.«
     

WANN WIRST DU ALT, 
    fragte Sejer sich und musterte Kollberg. Früher bist du immer zehn Meter vor mir hergelaufen. Und wie ein junger Hund die Treppe hinuntergestürzt.
    Der Hund stand auf einer Bank und fiepte. Das dünne Papier zerriß unter seinen Krallen. Der Tierarzt suchte die Knubbel und fand vier Stück. Sejer versuchte, seine ausdruckslose Miene zu deuten.
    »Die fühlen sich fest an, nicht wie mit Wasser gefüllt. Klar abgegrenzte Geschwülste.«
    Seine Hände fuhren durch das rote Fell.
    »Ach«, sagte Sejer. Hauptkommissar und Fahnder, in den besten Jahren. Fast zwei Meter groß und durchaus breitschultrig. Er war nervös wie ein Kind.
    »Wenn ich Klarheit schaffen soll, dann muß ich sie öffnen.«
    »Dann tun Sie das«, sagte Sejer und nickte.
    »Das Problem ist, daß dieser Hund groß und schwer und alt ist. Zehn Jahre sind viel für einen Leonberger. Eine Narkose ist für so einen Hund schon ein Risiko an sich.«
    »Eine Narkose ist doch immer ein Risiko«, murmelte Sejer.
    »Ja, das schon. Aber wir sollten uns fragen, ob ihm dieser Eingriff nicht erspart bleiben könnte.«
    »Warum das denn?« fragte Sejer scharf.
    »Ich weiß nicht, ob er danach wieder zu sich kommt. Aber die Geschwülste müssen entfernt werden, auch wenn sie harmlos sind. Sie drücken auf die Nerven im Rücken und beeinträchtigen seine

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