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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Sie war sich ganz sicher. Aber dann dachte sie nicht mehr daran und holte sich von der Kellertreppe die Zeitungen. Setzte sich hin, um die Artikel über den Fall auszuschneiden. Die wurden immer weniger, aber sie wollte alle aufbewahren. Für später. Und wenn sie dann mit Jacob verheiratet war, würde sie sie hervornehmen und an damals denken, als sie ihn kennengelernt hatte. Die Tür schlug. Das ging ihr auf die Nerven, aber sie wollte nicht in den Sturm hinauslaufen, um sie zu schließen. Sie schnitt weitere Artikel aus. Obwohl sie wußte, woher der Lärm kam, machte er ihr zu schaffen. Sollte sie wegen dieser verdammten Tür die halbe Nacht wachliegen müssen? Sie ließ die Schere sinken und seufzte tief. Wie lange würde sie brauchen, um Stiefel anzuziehen, über den Hof zu laufen, die Tür zu schließen, die Haken vorzulegen, und wieder ins Haus zu rennen? Eine Minute vielleicht. Sechzig Sekunden draußen in der Dunkelheit. Sie sprang auf und lief auf den Flur. Zögerte noch einen Moment. Stieg dann in die Stiefel ihrer Mutter, weil die in der Nähe standen. Sie waren viel zu groß. Sie öffnete ein Schloß. Hörte das gleichmäßige Trommeln des Regens. Dann öffnete sie das Sicherheitsschloß. Holte dreimal tief Atem, riß die Tür auf und lief die Treppe hinunter. Kein Grund zur Aufregung, dachte sie und kämpfte sich in den großen Stiefeln über den Hof. Die Schuppentür stand sperrangelweit offen. Dahinter war alles pechschwarz. Sie packte sie. Der Haken saß hoch oben. Sie hatte kein Licht, im Schuppen war nie Strom gelegt worden. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, streckte die Hand nach dem Haken aus und wurde von Panik erfaßt, weil sie ein Geräusch hörte. Es kam aus dem Schuppen. Sie fuhr herum und keuchte. Stand dort nicht eine Gestalt und starrte sie an? Sie glaubte, ganz hinten ein Auge leuchten zu sehen. Angst und Wut wechselten ab, als sie mit aller Kraft versuchte, den Haken zu erreichen. Doch dann wurde sie zurückgerissen, und Hände schlossen sich um ihren Hals. Alle Kraft strömte aus ihr heraus. Aus dem Augenwinkel sah sie ihre eigenen verzweifelt fuchtelnden Arme. Jemand fauchte in ihr Ohr, und vor ihren Augen wurde alles schwarz. Sie spürte ihren Körper nicht mehr, registrierte nur einen heftigen Schmerz im Nacken. Etwas Warmes rieselte ihre Beine hinunter. Ihre Knie gaben nach, sie kam sich vor wie eine Stoffpuppe.
    Von jetzt an hältst du die Fresse !
    Sie sank zu Boden und umschlang schützend den Kopf mit den Händen, während sie Arme spürte, die sie umdrehten und auf den Bauch legten. Mama, schrie eine Stimme in ihr, Mama, ich muß sterben.
    Er stellte seinen Stiefel auf ihren Rücken und drückte sie zu Boden, doch immerhin hatte er ihren Hals losgelassen. Sie spürte einen Schmerz im Kehlkopf und kratzte hilflos im Kies herum. Ist das Gøran, durchfuhr es sie. Wird er mich jetzt umbringen? Sie weinte nicht. Sie wagte nicht zu atmen. Er hatte sie losgelassen und machte etwas anderes. Jetzt übergießt er mich mit Benzin, dachte sie, denn im Schuppen stand ein Benzinkanister für den Rasenmäher. Er übergießt mich mit Benzin und zündet mich dann. Danach würden sie sie finden, schwarz und starr und nur anhand Zähne zu identifizieren. Dann knallte plötzlich die Tür. Alles wurde still. Er hatte von außen abgeschlossen. Sie lag reglos da und horchte, dachte, er fackelt den Schuppen über mir ab. Ihr Körper zuckte unkontrolliert. Sie konnte nicht glauben, daß alles vorüber war. Sie stank, und sie wußte, daß sie sich in die Hose gemacht hatte. Ein Ernst, den sie nie gekannt hatte, überwältigte sie. Sie lag da, unfähig sich zu bewegen. Hörte keine Schritte, keinen Motor, nichts, nur den Wind in den Bäumen und den Regen wie ein fortwährendes Dröhnen. Sie blieb eine Ewigkeit so liegen, das Gesicht voller Sand und Schmutz. Konnte es nicht aushalten, so zu liegen, wagte nicht, sich zu erheben, wie eine gelähmte Katze vor einem Autoscheinwerfer. Dann schaffte sie es endlich. Kam vorsichtig und auf wackeligen Beinen hoch. Überall herrschte Finsternis. Sie hob die Hände, die zitterten und bebten. Stieß die Tür an. Die gab ein wenig nach. Es war eine alte Tür mit einem schlichten Schloß an der Außenseite. Deshalb war sie ja auch vom Wind aufgestoßen worden. Oder hatte er sie geöffnet, um sie aus dem Haus zu locken? Woher wußte er, daß sie allein war? Sie war oft allein, dachte sie dann, und viele wußten das. Sie stieß und stieß gegen die Tür. Vielleicht

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