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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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gewesen. Als ob die Polizei nicht auch sonst die roten Autos im Dorf durchgegangen wäre. Und dann hätten sie auch festgestellt, daß Gøran zum fraglichen Zeitpunkt an der Wiese vorbeigekommen war. Er hatte sich im Netz verfangen und versuchte verzweifelt, sich daraus zu befreien. Aber Gøran war bestimmt unschuldig und hatte deshalb auch nichts zu befürchten. Die Polizei anzulügen, war ziemlich blöd, fand Linda. Er hatte sich selber alles zuzuschreiben. Sie nutzte die Zeit, um einen Plan zu schmieden, wie sie Jacob an sich ziehen könnte. Sie war schon zweimal in die Stadt gefahren und hatte vor seinem Haus in der Nedre Storgate gestanden. Er wohnte im zweiten Stock. Sie hatte zu den Fenstern hochgestarrt. Auf der Fensterbank stand eine kleine Statue, aber sie konnte nicht erkennen, was die darstellte, und sie wagte nicht, das Fernglas ihrer Mutter mitzunehmen. Daß sie in der Stadt auf der Straße stand und zu einem Fenster hochschaute, fiel nicht weiter auf, aber dabei ein Fernglas in der Hand zu halten, das war unvorstellbar. Die Statue kam ihr vor wie eine nackte Frauengestalt, und das paßte ihr nicht. Sie war weiß und glatt und leuchtete, wenn die Sonne durch das Fenster fiel. Linda war natürlich tödlich verletzt, weil Jacob das mit dem Mann im Garten nicht ernstgenommen hatte. Ihrer Mutter hatte sie nichts erzählt. Alles war ohnehin schon schlimm genug. Ihr Gesicht sagte deutlich, daß Linda zu weit gegangen war. Dann fauchten sie einander an, und Linda schrie, wenn du den Mord mit eigenen Augen gesehen hättest, dann würdest du sicher immer noch die Klappe halten. Um nicht hineingezogen zu werden. So feige sind die Leute! Sie schrie und stampfte mit den Füßen auf. Die Mutter kniff den Mund zusammen. In Wirklichkeit hatte sie Angst.
    Es war spätabends. Linda zerbrach sich den Kopf. Karen müßte jetzt zu Hause sein. Draußen war es naß und kalt, und ein unbarmherziger Wind fegte in langen, drohenden Stößen um die Ecken. Sie mochte dieses Wetter, wenn sie im hellen, warmen Haus war. Die Vorhänge waren geschlossen. Und nicht ein einziges Mal würde sie in den Garten schauen. Aber da war noch die Sache mit Jacob. Sie mußte feststellen, wann er arbeitete, wann er von der Arbeit kam. Hinter einer Ecke bereitstehen, wenn er über die Straße kam, und mit gesenktem Kopf losrennen. Mit ihm zusammenstoßen. Vielleicht würde er etwas in den Händen halten, es fallen lassen, in die Knie gehen, um es aufzuheben. Eine Tüte voll Äpfel. Die in allen Richtungen davonkullern würden. Sie stellte sich vor, wie Jacob auf der Jagd nach den blanken roten Äpfeln über den Bürgersteig kroch. Seinen Mund, seine Augen. Seine Hände, die sie liebkosen würden, sie waren sicher warm und stark. Er war ja schließlich Polizist.
    Aber nein, Linda, würde er rufen. Was machst du denn hier? Ach, ich muß zum Zahnarzt. Oder so etwas. Dann würde er um Entschuldigung bitten, weil er ihr an dem Abend neulich nicht geglaubt hatte. Sie würde in seine blauen Augen schauen und ihm klarmachen, daß er sie unterschätzt hatte. Sie war durchaus kein hysterisches Teenie, wie er zu glauben schien. Sie war noch immer in Gedanken versunken, als sie plötzlich draußen ein Krachen hörte. Sofort sprang sie auf. Sie blieb stehen und horchte atemlos. Aber jetzt hörte sie nur den Wind. Sie rannte in die Küche. Was war das nur? War das dasselbe Geräusch wie beim letzten Mal, oder etwas anderes? Sie schaute zum Telefon hinüber, überlegte sich die Sache aber anders. Sie konnte Jacob einfach nicht anrufen. Noch ein Krachen, jetzt ganz laut, gefolgt von einem noch lauteren. Als schlüge da draußen jemand mit einem Vorschlaghammer. Verängstigt starrte sie zu den Fenstern hinüber. Die Schläge wurden in regelmäßigen Abständen wiederholt. Am lautesten waren sie, wenn sie auf dem Flur stand, also kamen sie von der Vorderseite des Hauses her. Zum Glück war die Tür doppelt abgeschlossen. Sie riß sich zusammen. Es hörte sich wirklich an wie die Schuppentür, wenn sie vergessen hatte, die Haken vorzulegen. Konnte es so einfach sein? Neues Krachen. Sie lief ins Wohnzimmer und hob den Vorhang an. Im Licht der Hoflampe konnte sie den roten Schuppen mit der weißen Tür erkennen. Und richtig. Die Tür schlug im starken Wind hin und her. Sie keuchte vor Erleichterung auf. Wie gut, daß sie Jacob nicht wegen dieses falschen Alarms angerufen hatte. Aber sie hatte doch die Haken vorgelegt, als sie ihr Fahrrad in den Schuppen gestellt hatte?

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