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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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dann waren Sie noch vor halb neun bei Lillian?«
    »Ich habe nicht auf die Uhr geschaut.«
    »Sie sollten froh sein«, sagte Sejer tröstend. Der veränderte Klang seiner Stimme verwirrte Gøran. Er hob den Kopf.
    »Sie haben soeben ein hervorragendes Alibi geliefert. Wenn die Dame Ihre Geschichte bestätigt.«
    Gøran biß sich auf die Lippe. »Wenn? Wenn nicht, dann lügt sie. Aber hier ist die Rede von einer verheirateten Frau! Wenn sie es nun nicht zugibt?«
    »Ich werde zu ihr fahren und sie fragen.«
    Gøran zuckte zusammen. Sejer warf einen letzten Blick auf die blauen Hanteln. Sie waren schwer und rund und glatt. Er hätte sie schrecklich gern beschlagnahmt, aber dann müßte er auch einen Haftbefehl gegen Gøran beantragen, und dazu war es noch zu früh. Er ging, und Gøran brachte ihn zur Tür. Die Mutter trat in die Küchentür und musterte sie ängstlich. Gleichzeitig hörte Sejer den Hund hinter einer verschlossenen Tür herumkratzen. Das Tier fiepte.
    »Stimmt was nicht?« fragte die Mutter ängstlich.
    »Ach was«, sagte Sejer und verabschiedete sich. Die Mutter streichelte ihren Sohn, fuhr ihm über die Schultern. Dann entdeckte sie seine bloßen Füße. Rasch holte sie ein Paar Pantoffeln vom Flur. Gehorsam schob Gøran seine Füße hinein. Sejer mußte an Curling denken. Die Mutter war wie ein Besen, mit dem sie vor den Füßen des Sohnes herumfegte, so daß er widerstandslos weitergleiten konnte. Das hatte er schon sehr oft gesehen.
    Er ging zum Auto. Der Vater hackte Holz, blickte aber auf, als die Tür schlug. Und warf seinen Kopf rasch und verächtlich in den Nacken.
     

»HALLO, MARIE«, SAGTE GUNDER.
    Er schaute in das leblose Gesicht. »Heute bin ich sauer.« Er runzelte die Stirn. »Eins kann ich dir sagen. Presseleute sind wie Ratten. Wenn sie einen Spalt finden, dann quetschen sie sich hindurch. Gestern haben sie achtmal angerufen! Kannst du dir das vorstellen? Meistens Frauen, und sie waren wirklich fürsorglich, das kann ich dir sagen. Mit zarten Stimmen, als ob sie betteln wollten. Alle wissen jetzt von Poona, daß sie zu mir wollte. Es ist zu Ihrem eigenen Besten, sagen die Presseleute, wenn Sie mit uns reden. Damit nichts Falsches gedruckt wird. Wir schreiben ja doch darüber. Nicht, weil wir gierig wären, sondern, weil das unsere Pflicht ist. Die Leute interessieren sich so sehr für euch, für Sie und Ihre indische Frau. Sie wollen wissen, wer sie war und wohin sie wollte. Sie machen sich Sorgen um Sie und wollen wissen, wie es weitergeht. So was sagen sie, Marie. Wir sind in der Nähe, dürfen wir hereinkommen? fragen sie. Ich habe aufgelegt. Und dann rief wieder eine Zeitung an. So ging es den ganzen Tag. Schließlich wurde auch an der Tür geklingelt. Und als ich aufgemacht habe, stand da eine Frau mit einem Blumenstrauß und einer riesigen Kamera. Ich habe meinen eigenen Augen nicht getraut. Ich finde Sie blöd, sagte ich. Ich finde Sie ganz einfach blöd. Dann habe ich die Tür ins Schloß geknallt. Ich habe das Licht ausgemacht und die Vorhänge geschlossen. Ich knalle sonst nie mit der Tür, aber ich bin nicht ganz ich selber.
    Heute ist entsetzliches Wetter. Ich bin wirklich froh, daß das Haus so hoch liegt. Der Kellerboden ist feucht, aber das ist wirklich alles. Ich habe nicht mit Karsten gesprochen, deshalb weiß ich nicht, wie es bei euch aussieht. Aber ich habe jetzt wichtigere Dinge zu berichten. Endlich habe ich Poonas Bruder kennengelernt. Meinen Schwager Shiraz Bai. Ich sage dir, der ist vielleicht ein Kauz. Ein dünner, magerer Wicht mit kohlschwarzen Haaren. Sieht Poona sehr ähnlich. Aber natürlich ist er nicht so hübsch. Er hat gesagt, ich darf sie hier in Elvestad behalten. Ich war ja so erleichtert, Marie, das kannst du dir nicht vorstellen. Ich habe sie doch nach Norwegen und in diesen Schrecken hineingelockt. Und jetzt kann ich mich in den Jahren, die mir noch bleiben, um ihr Grab kümmern. Ich habe den Verdacht, daß es ihrem Bruder egal ist. Ihm ging es darum, daß ich alles bezahle. Aber wir haben gut reden. Wir leben in einem der reichsten Länder der Welt. Shiraz arbeitet in einer Baumwollspinnerei, da verdient er sicher nicht viel. Die Gerüchte behaupten übrigens, daß die Polizei eine Verhaftung vorbereitet. Einen jungen Mann aus Elvestad, ich weiß nicht, ob du ihn kennst, Gøran, den Sohn von Torstein und Helga. Er ist neunzehn. Ich begreife nicht, was sie sich denken. Er ist mit einem netten, anständigen Mädchen zusammen, und seine Eltern

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