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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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sind ordentliche Leute. Aber Tatsache ist, es ist mir egal. Natürlich soll er bestraft werden, das ist doch klar. Aber ich will nicht wissen, wer er ist. Ich will nicht wissen, wie er aussieht. Das bringt mir nur böse Träume. Sein Gesicht vor mir in der Dunkelheit. So was. Ich will nur Poona in die Erde bringen. Blumen pflanzen. Bald ist doch Herbst. Ich fürchte, sie werden für ihre Untersuchungen soviel Zeit brauchen, daß der Frost kommt, bis es so weit ist. Was wird wohl der Pastor sagen? Poona ist Hindu. Aber sicher gibt es auch dafür Gesetze und Vorschriften. Ich lege sie neben Mutter. Wenn du irgendwann einmal von dieser keuchenden Maschine befreit wirst, dann zeige ich dir das alles, und wenn ich dich im Rollstuhl hinbringen muß. Mir macht es doch nichts aus, dich damit durch die Gegend zu schieben. Bei Karsten bin ich mir da nicht so sicher. Du mußt diese Offenherzigkeit entschuldigen, aber du hättest etwas Besseres verdient. Ich sage das klar und deutlich, obwohl du es nicht hörst. Aber was ist, wenn doch die klitzekleine Möglichkeit besteht, daß etwas zu dir durchdringt? Und wenn du so empört bist, daß du wach wirst?«
     
    Skarre fuhr. Sejer dachte laut.
    »Wenn Gøran wirklich bei dieser Frau war, dann ist Lindas Gerede von einem roten Golf nicht viel wert.«
    »Könnte er beides geschafft haben?«
    Sejer zögerte. »Vielleicht. Aber hätte er nach einer solchen Tat Gesellschaft gesucht? Er wäre allein geblieben. Hätte sich im schwarzen Wald verkrochen.«
    »Aber wird eine verheiratete Frau von fünfundvierzig eine Beziehung zu einem Neunzehnjährigen zugeben?«
    »Vielleicht nicht sofort.«
    »Du willst niemanden verschonen, hast du das nicht gesagt? Aber so richtig brutal bist du wirklich nicht, Konrad.«
    »Das kann ich lernen«, sagte Sejer kurz.
    Lillian Sunde zeigte sich in ihrer ganzen Pracht. Etwas an ihrem Auftreten erweckte in Sejer den Verdacht, daß sie sie schon vom Fenster aus gesehen und dann ihre Vorbereitungen getroffen hatte. Ihre Reaktion war theatralisch, sie versuchte es mit einem Ausdruck des Erstaunens. Sie schlug die Hand vor den Mund.
    »Ach, Gott! Sie kommen wegen des Mordes?«
    Sie nickten. Sie sah sehr gut aus, ein wenig aufgetakelt, vielleicht, sie hatte zuviel von allem, zuviel Schminke, zuviel Schmuck, und eine Auswahl von Düften, die nicht zueinander paßten, strömte durch die offene Tür. Sogar Ulla hat mehr Stil, dachte Skarre und starrte für einen Moment die Treppe an. Lillian führte sie in das große Haus. Die Diele allein bot mehr Platz als Sejers Wohnzimmer, der Boden war wie ein Schachbrett mit weißen und schwarzen Fliesen belegt. Eine breite geschwungene Treppe führte in den ersten Stock. Lillian Sundes Schuhe klackerten auf jeder Stufe.
    »Es kann ja nicht viele Spuren geben, wenn Sie zu mir kommen müssen«, sagte sie neugierig.
    Sejer räusperte sich.
    »Ich will Ihre Zeit nicht verschwenden«, sagte er. »Und meine eigene auch nicht. Ich muß wissen, wo Sie den Abend des 20. August, verbracht haben.«
    Sie standen oben im Wohnzimmer. Das war überwältigend groß und wies einen so exotischen Einschlag wie eine versenkte Sitzgruppe auf. Sejer hatte so etwas noch nie gesehen und fühlte sich sofort davon angezogen. Er hatte das Gefühl, sich in einen Sandkasten zu setzen. In eine kleine Grube im Fußboden.
    Lillian Sunde riß die Augen auf.
    »Ich? Am 20.? War das der Tag, an dem es passiert ist?«
    »Ja.«
    Sejer löste seine Aufmerksamkeit von der Sitzgruppe und sah sie an.
    Sie runzelte die Stirn. »Da muß ich erst einmal überlegen. Was war das für ein Wochentag?«
    »Ein Freitag.«
    »Ach. Freitags fahre ich zur Akupunktur in die Stadt. Ich habe, nein, ist ja egal, was ich habe, jedenfalls hilft es. Danach gehe ich dann einkaufen, Lebensmittel und so. Möglicherweise war ich an dem Tag beim Friseur. Ich lasse mir alle sechs Wochen die Haare färben«, sagte sie und lächelte. »Und dann«, fügte sie hinzu, und sie schien sich plötzlich an etwas zu erinnern, denn sie wurde ganz still und ihr Lächeln verschwand. »An dem Abend habe ich diesen Fernsehfilm gesehen.« Sie dachte kurz nach und wich den Blicken der anderen aus, indem sie die Stirn in die Hand stützte. »Einen amerikanischen Film, ich kann mich an den Titel nicht erinnern. Er hat wohl so gegen neun angefangen. Und lange gedauert. Ich habe den ganzen Abend vor dem Fernseher gesessen«
    »Mit wem waren Sie zusammen?« fragte Sejer leise.
    »Mit wem ich zusammen war?«
    Sie

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