Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
Vom Netzwerk:
starrte ihn an. »Mit niemandem. Die Kinder sind groß, die sind abends nie zu Hause. Und mein Mann …«
    »Der war also im Lokal?«
    »Ja. Er kommt selten vor Mitternacht nach Hause. Und samstags frühestens um zwei.«
    »Ich muß Ihnen folgende Frage stellen«, sagte Sejer und verspürte im selben Moment ein vertrautes Unbehagen. Er mochte sie. Sie war eine hübsche und recht sympathische Frau, die möglicherweise nicht den geringsten Grund zu einem schlechten Gewissen hatte. Noch nicht. »Kennen Sie Gøran Seter?«
    Wieder riß sie die Augen auf.
    »Gøran Seter? Ich weiß, wer das ist. Aber ich kenne ihn nicht.«
    »Er behauptet, diesen Abend bei Ihnen verbracht zu haben. Hier, in diesem Haus.«
    Ihre Augen weiteten sich, wie die eines Kindes, das etwas Unheimliches sieht. Dann kniff sie sie verwirrt zusammen.
    »Gøran Seter? Hier, bei mir?«
    »Er behauptet, Sie hätten seit ungefähr einem Jahr eine sexuelle Beziehung.«
    Ungläubig schüttelte sie den Kopf. Lief hin und her. Breitete dramatisch die Hände aus. »Was um alles in der Welt sagen Sie da?«
    »Stimmt es, oder stimmt es nicht?« fragte Sejer unbarmherzig.
    Weil er selber mit Reden beschäftigt war, hoffte er, daß Skarre seine Augen benutzte. Und alle kleinen Details registrierte.
    »Er hat nie einen Fuß in dieses Haus gesetzt. Falls er nicht mit den Kindern hier war, aber das glaube ich nicht. Was sollte er hier zu suchen haben?«
    »Das habe ich doch gerade gesagt. Hatten Sie ein Verhältnis?«
    Sie fuchtelte mit den Händen. Fuhr sich durch die Haare. Die waren von dunklem Kupferrot und oben zusammengebunden. Einige lange Locken fielen lose herunter. Die hochgesteckten Haare ließen sie brav aussehen, aber die munteren Locken verhießen doch ein eher lockeres Temperament, wie Sejer fand.
    »Also wirklich. Warum sagt er das? Ich bin doch verheiratet.«
    »Aber Sie wollen sich scheiden lassen. Stimmt das nicht?«
    Angesichts dieser Kenntnisse verdrehte sie die Augen.
    »Doch. Aber deshalb lasse ich mich noch lange nicht mit Kindern ein.«
    »Er ist neunzehn.«
    »Wissen Sie, wie alt ich bin?« fragte sie gereizt.
    »Fünfundvierzig«, sagte Sejer leise.
    Wieder lief sie im Zimmer hin und her. »Ich begreife gar nichts mehr«, sagte sie nervös. »Warum sagt Gøran so etwas?«
    »Vielleicht, weil es die Wahrheit ist?«
    Wieder sah er, wie ihr allerlei Gedanken durch den Kopf jagten.
    »Die Sache ist die«, sagte er ruhig. »Es gibt bei Gørans Schilderung dieses Abends gewisse Einzelheiten, die uns hergeführt haben. Wenn Sie bestätigen können, daß er hier bei Ihnen war, und wenn Sie uns sagen können, wie er sich hier verhalten hat, dann helfen Sie uns weiter. Überlegen Sie sorgfältig, ehe Sie antworten. Ihre Antwort kann wichtig für die Zukunft anderer sein.«
    Sie starrte sie beide der Reihe nach an, dann nahm sie ihre Wanderung wieder auf.
    »Soll ich also Gørans Haut retten?« fragte sie ungläubig. »Er hat doch wohl nichts mit dem Mord zu tun?«
    »Sie kennen ihn doch gar nicht?«
    »Nein. Aber trotzdem.«
    Sejer musterte sie forschend. »Müssen Sie sich vielleicht zwischen Gørans Haut und Ihrem eigenen guten Ruf entscheiden?«
    Sie lief in die Küche. Nahm sich ein Glas Wasser und leerte es im Stehen.
    »Einmal, das gebe ich zu, war ich in der Stadt in einem Tanzlokal. Zusammen mit einer Frau. Gøran war da mit zwei anderen Jugendlichen. Wir haben ein wenig getanzt und geflirtet. Mehr nicht. Das muß ihn auf dumme Gedanken gebracht haben, die er sich dann weiter ausgemalt hat. Vielleicht hat er sehr dringende Bedürfnisse. Er trainiert doch viel. Beult überall aus.«
    »Das wissen Sie also?« fragte Sejer rasch.
    Sie errötete und wandte sich ab.
    »Was er sagt, ist also absolut nicht wahr?« fragte er dann.
    Sie fuhr herum und starrte ihn an.
    »Kein bißchen.«
    Er reichte ihr seine Karte. »Meine Nummer. Wenn Sie mir etwas sagen möchten. Wovon handelte der Film? Der amerikanische Film?«
    »Von unglücklicher Liebe. Wovon sonst?« erwiderte sie mürrisch.
     

DIE NACHRICHT VON 
    Gøran Seters Festnahme traf Gunwald wie ein Schlag. Es wurde kein Name genannt, aber er begriff doch alles, ein junger Mann von neunzehn Jahren, der wenige Kilometer vom Tatort entfernt bei seinen Eltern wohnte. Ein Mann, der Gewichte stemmte, der in einer Tischlerei arbeitete und ein Auto fuhr, wie die radelnde Zeugin eins gesehen hatte. Er schlürfte seinen Kaffee und umklammerte die Zeitung. Es konnte nicht stimmen. Er kannte doch Gøran, einen

Weitere Kostenlose Bücher