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Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur

Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur

Titel: Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Richard , Alexander Ruhl
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Quellen, nicht zuletzt aus der von George Hébert (1875– 1957)
     im frühen 20. Jahrhundert entwickelten »Natürlichen Methode der Körperkultur« (Hébert 1936). Hébert stellte verschiedene Elemente
     »natürlichen« Trainings zusammen, um so ein besseres Gleichgewicht von körperlichen, energetischen und moralischen Werten
     zu erzielen und hatte damit einen großen Einfluss auf den neu entstehenden Ethos der Leibeserziehung. 2 Angeblich wurde David Belle durch seinen Vater Raymond, der während des Vietnamkriegs Héberts »Natürliche Methode« zu einer
     speziellen Art der Militärausbildung entwickelte, in diese Ideen eingeführt. Beim Herumturnen auf dem lokalen Spielplatz in
     Lisses, so die Legende, |265| haben David und Sébastien immer wieder neue Bewegungsformen im Geist des Hébertisme erfunden und praktiziert. Daraus sei eine
     spezielle Ästhetik hervorgegangen, die durch Eleganz, Fluss und Effizienz gekennzeichnet ist. Rasch bildeten sich auch an
     anderen Orten Gruppen, die nach noch kunstvolleren Bewegungen suchten, und so breitete sich 2003 der neue Trend über Frankreich
     hinaus aus, um in kürzester Zeit zu einer weltumspannenden Parkour-Bewegung zu werden. 3
    Parkours spontane Aneignung von Raum lässt sich mit den Bestrebungen von
non-plan
, französischem Situationismus und anderen kulturellen Bewegungen des zwanzigsten Jahrhunderts vergleichen, die versucht haben,
     eine eigenständige Kontrolle über die geplante Umwelt zurück zu gewinnen (vgl. Hughes/Sadler 2000). Die Karten und Erfahrungen,
     die von Parkour produziert werden, teilen solcherart ihr Terrain mit lettristischen beziehungsweise situationistischen Techniken
     des
Détournement
und
Dérive,
einer Zweckentfremdung des Stadtraums und einem ziellosen Umherschweifen zur Schaffung neuer, fremder Situationen, mit Henri
     Lefèbvres Konzeption von gelebtem Raum (vgl. Lefèbvre 1991) und mit den fließenden Bewegungen und miteinander vernetzten Communities
     von Skateboarding, die oft eine direkte Vorbildwirkung auszuüben scheinen (vgl. Borden 2001). Parkour bahnt flüchtige und
     unkonventionelle Wege durch die physischen und psychologischen Bedingungen der vorhandenen Umwelt und nimmt dabei einen Zwischenraum
     ein, der weder vollkommen real noch virtuell ist. Diese Zwischenlage ermöglicht ein unablässiges Umschichten der Beziehung
     zwischen vorhandenem und ersehntem urbanen Zustand und führt uns zu einem paradoxen Bild von Stadt als Bühne gleichzeitiger
     Zustimmung und Verweigerung. In der Ausgestaltung dieses Bildes nimmt Free Running die Form einer Unterbrechung an – eine
     Unterbrechung urbaner Realitäten, in denen sich Leute aufgrund unterschiedlichster Ursachen gefangen sehen. Zugleich erschafft
     Free Running ein ästhetisches Terrain, auf dem eine beinahe mystische Begegnung mit urbaner Materialität stattfindet. So kommt
     es zu einer widersprüchlichen Figur der Inanspruchnahme und Bestätigung von etwas, dem im selben Moment eine neue Form von
     Bedeutung verliehen wird. Was stattfindet, ist ein Akt des Umschreibens, der sich einer bestimmten Zugehörigkeit unterwirft,
     während er deren Bedingungen korrumpiert und verändert. Dieser ästhetische Prozess gründet sich nicht auf ein Entwerfen neuer
     Objekte oder ein Hinzufügen neuer Ebenen von |266| Material, Farbe oder Textur. Er wird in der Berührung hervorgebracht. Dieser flüchtige physische Kontakt der Traceure mit
     dem Urbanen macht das bestimmende Moment ästhetischer Transformation aus und produziert die lose und lösende Lage, die Free
     Running einnimmt – immer in Bewegung wird kein Ort jemals wirklich besetzt, so wie sich Traceuren auch umgekehrt keine vollständige
     Bestimmung eines Ortes aufdrängt.
    Urbane Deregulierungen
    Im zeitgenössischen Architekturdiskurs gibt es eine heimliche Bewunderung dafür, dass Parkour räumliche Bedeutungen mühelos
     unterläuft. Der britische Architekt Will Alsop etwa gab in einem Interview zu bedenken:
    »I am sure there is all sorts of other people waiting in the wings to come in and corrupt our spaces in all sorts of different
     ways that we have not even thought of yet. We spend millions and millions of Pounds to build all this stuff, and what else
     could that stuff be used for – that’s the key question.« 4
    Das Potenzial von Architektur liegt weder im geplanten noch im aktuellen Gebrauch. Es ist immer in
etwas anderem
enthalten
,
dessen Platz Free Running gestenhaft markiert. In Giorgio

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