Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur
hochgradig geprägt und bietet für den Gestalter die Möglichkeit einer stilistischen Vielfalt.
Zwei weitere Produktstrategien bauen ebenfalls auf Aneignungsprozesse auf. Beispielsweise entwickeln Porzellanmanufakturen
gemeinsam mit Designern aufwendige Serien von Porzellanfiguren, Vasen und Serviceteilen. Die entstandenen Produkte zeichnen
sich durch ein hohes Maß an Handwerkskunst und ein lustvolles Spiel mit Symbolen und traditionellen Bezügen aus. 6 Durch die handwerkliche Fertigung entstehen einzigartige,
individuelle Produkte
mit künstlerischem Ausdruck – die schon aus der Masse herausgehoben |67| wurden und die Aneignung damit quasi konsumierbar machen. Darüber hinaus lassen diese Einzelstücke auch nur wenig Raum für
eigene Modifikationen. Der kontingente Umgang, mit dem die eigene Zugehörigkeit ausgelotet wird, die persönliche Bedeutungszuschreibung
und Sinnstiftung erfolgt, kann hier nicht mehr stattfinden. Eine zweite Variante besteht darin, den kreativen Prozess komplett
auf den Konsumenten zu übertragen. Verschiedene Versuche im Bereich des
mass customization
, wie etwa die kundenindividuelle Fertigung von Turnschuhen und Jeanshosen oder die Maßanfertigung von selbst gestaltbaren
Möbeln haben gezeigt, dass Optionenvielfalt und Einzelanfertigung noch lange nicht zu einem
eigenen Produkt
führen. Schließlich sind die Suche, die Auswahl und das Finden des Produktes die erste Voraussetzung, um eine Beziehung zum
Konsumgut aufzubauen und einzigartige Erlebnisse mit dem Kauf zu verbinden. Das Ziel der Produktgestaltung sollte darum vielmehr
darin liegen, Inspirationen und Anregungen aus Konsumbeobachtungen aufzunehmen und diese in neue Entwürfe zu überführen, die
sich durch ein hohes Maß an Eigenständigkeit und Originalität auszeichnen. Dadurch könnten neue Sichtweisen den Konsum und
den Prozess der Aneignung irritieren und stimulieren, anstatt persönliche Aneignung passiv konsumierbar zu machen.
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, Berlin/München.
1
Vgl. http://www.iwrap.de, 15.02.2007.
2
Auch die gestalterische Avantgarde des Bauhauses entwickelte industrielle, kühl wirkende Produkte wie beispielsweise
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