Kontaktversuche
von Untergebenen für das, was im Büro des Chefs vorgeht, andererseits machte die ungewöhnliche Situation und unsere kollegiale Verbundenheit mit Petrow unsere Neugier noch legitimer, wenn es erlaubt ist, dieses Wort grammatikalisch zu steigern. Später fragte ich Petrow nach diesen Minuten aus, er erinnerte sich an fast nichts, sagte mir aber doch ein bißchen was, so daß ich auf Grund dessen, was wir von ihm und durch die Tür hörten, sowie auf Grund des Benehmens unseres Direktors – um die chronologische Reihenfolge des Berichts zu wahren – wage, hier ein meiner Meinung nach völlig glaubwürdiges Bild zu zeichnen. Der Direktor beugt sich vertraulich über den Sitzenden.
»Petrow, vielleicht erklärst du mir immerhin…«, sagte er. »Hörst du mich nicht? Verstell dich doch nicht, wir sind allein. Schau, Petrow…« Er stieß ihn gegen die Schulter, aber Petrow reagierte weiterhin nicht, und da strich er ihm erst, wie einschmeichelnd, übers Haar, faßte es vorsichtig an, befühlte es, zog leicht daran, äugte nach den Wurzeln und brummte vor sich hin: »Wie richtiges, Teufel noch mal. Es ist ganz richtiges. Bloß wieso diese gespenstische Farbe? Übrigens kann man’s ja färben, wenn’s nicht anders geht, was ist schon dabei, sonst sieht es völlig normal aus, und keine Naht zu sehen… Hör zu, Petrow, komm, wir wollen uns verständigen. Sag mir, wo man sich solche Haare beschaffen kann, und ich will mich bemühen, dir deine alte Stelle wiederzugeben. Sagst du’s mir? Ich kann den Mund halten, wenn es sein muß. Nun hör schon auf, Petrow, ich habe dir doch gesagt, wir sind allein. Hej, spiel nicht den toten Mann!« Hier stieß er ihn sicherlich ganz nach Direktorenart energisch an, doch Petrow sackte unerwartet über die Seitenlehne des Sessels. Und der Direktor rief erschrocken: »Was ist mit dir, Menschenskind? Aber du… was ist, bist du tot, was… he, Dilow, Lekowa, schnell, schnell!«
Wir fanden unseren Petro genau in dieser Lage – über die Seitenlehne gesunken, das neue Haar bis auf den Teppich hängend. Der psychische Schock hatte ihn offenbar endlich umgeworfen. In dem eingetretenen Durcheinander gelangtes mir, durchzusetzen, daß wir nicht den Rettungsdienst riefen, sondern ihn ohne viel Aufhebens in die Klinik meines langjährigen Bekannten Professor Insidon Kantardshiew brachten. Ich hegte nicht mehr den geringsten Zweifel, daß dies ein Fall für die Psychiatrie war. Wahrscheinlich war es mir gelungen, mit meinen Argumenten in der Seele meines Chefs etwas in Bewegung zu bringen, oder aber dieses geheimnisvolle Haar hatte sie schon ausreichend in Bewegung gebracht, weil er Dortschew ohne viele Umstände davonscheuchte und sich in den Dienstwagen setzte, in dem die Lekowa mit unversehens erwachtem Mutterinstinkt die fremdartigen orangegelben, möhrenroten und metallbläulichen Haarbüschel auf Petrows totenbleicher Stirn glattstrich.
Kantardshiew mobilisierte gleich einen Haufen Schwestern, die den Ohnmächtigen zu Bewußtsein bringen sollten, und rauchte inzwischen bei uns auf dem Korridor eine Zigarette. Obwohl ich ihn schon lange kannte und ihn anfangs, um vor dem Direktor an Autorität zu gewinnen, sogar vertraulich Dontscho nannte – wir waren als Junggesellen eine Weile zusammen herumgezogen –, wirkte der Professorenhabitus von Insidon Kantardshiew auf mich nicht weniger beeindruckend als auf die anderen. Während wir ihm erzählten, was wir über Petrow wußten, nickte er wortlos, ohne Erstaunen zu zeigen, ließ nur seinen berufsmäßig forschenden Blick von mir zur Lekowa wandern, dann zum Direktor, als wäge er ab, wer da eigentlich übergeschnappt war. Nachdem wir ihm alles haarklein erzählt hatten, schloß er sich in seinem Zimmer ein, aus dem er die Schwestern verjagte. Wir mußten lange warten, und der Direktor zeigte sich ungewöhnlich geduldig, obwohl er eine Sitzung im Ministerium hatte, und als Kantardshiew herauskam, stürzte er gleich auf ihn zu.
»Erinnert er sich an alles?«
»Nein«, entgegnete Kantardshiew. »Aber das ist nicht weiter schlimm…«
»Wie? Das soll nicht weiter schlimm sein?« fuhr ihn der Direktor recht unmanierlich an. »Sich an ein ganzes Jahr einfach nicht erinnern?«
»Die Leute vergessen viele Dinge oder behalten sie nicht im Gedächtnis, mein Lieber«, wies ihn der Professor leicht gereizt zurecht, und mir war, als gewahrte ich Bestürzung in seiner Gereiztheit. »Solche Fälle sind in unserer Praxis häufig. Teilweise Amnesie nennt man
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