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Kontrollverlust - Kontrollverlust

Kontrollverlust - Kontrollverlust

Titel: Kontrollverlust - Kontrollverlust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gude
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nicht mehr lebend wiederzusehen? Er hätte gerne mit seiner Tochter darüber gesprochen, aber er hatte sie seit ihrem vierzehnten Geburtstag nicht mehr gesehen. Seit sie ihren Lebensunterhalt auf dem Strich verdiente. Er fror. Langsam kehrten die Entzugserscheinungen zurück, das Zittern, die Übelkeit, die schrecklichen Kopfschmerzen. Er musste aufhören mit dem verdammten Zeug. Gerade jetzt, mit der Kündigung in der Tasche.

     
    Der Kommissar hielt inne und grunzte selbstzufrieden. Mehr persönliches Unglück auf so wenigen Zeilen   – das schaffte nicht mal Henning Mankell. Um zwei Uhr nachts schaltete er erschöpft und zufrieden den Computer aus. Als das Summen des Lüfters langsam abebbte, hörte er seine Frau mit Janine in der Küche   – immer noch. Er schlich wieder zur Tür und öffnete sie leise.
    ›NEIN!‹ – ›Wenn ich’s dir doch sage!‹ – ›Das glaub ich nicht.‹– ›So wahr ich hier stehe!‹ – ›Na das hätte der mal mit mir versuchen sollen …‹

13

    »Seltsam. Alle Aufträge sind sauber dokumentiert, Bücher tipptopp. Skizzen, Entwürfe, Besprechungsnotizen, Auftragsverwaltung, Abschlagszahlungen, Mahnungen, Schlussrechnungen, Zahlungseingänge, Überweisungen, Konstruktionszeichnungen, Stücklisten – der war ganz schön gut organisiert.« Wedel massierte sich die vom vorabendlichen Training schmerzenden Oberarme, während er berichtete. »Die Leute erzählen, er hätte sich eher die Hand abgehackt, als einen Auftrag schwarz durchzuziehen. Nicht mal für Nachbarn oder Freunde. Haben ihm manche übel genommen.«
    »Fehlt was in der Werkstatt?«, fragte Rünz.
    »Der Geselle sagt, alles wäre vollständig. Sogar knapp fünfhundert Euro in der Barkasse, offen in einer Schublade, nichts geklaut. Auf dem Schreibtisch liegt der Autoschlüssel, Schmuckers Opel stand vor der Werkstatt.«
    »Habt ihr diesen Gesellen gecheckt? Probleme mit seinem Meister? Profitiert der irgendwie von Schmuckers Tod?«
    »Negativ. Anfang fünfzig, Single, Typ Einzelgänger. Schmucker war sozusagen seine Familie. Der ist so fertig, als hätte er seinen großen Bruder verloren.«
    »Und Schmucker? Hatte er Schulden?«
    »Laut Schufa nur die Finanzierung seines Privatwagens. Nie im Zahlungsverzug. Sein Haus in Ober-Ramstadt ist seit zehn Jahren abbezahlt.«
    »Stand jemand bei ihm in der Kreide?«
    »In den letzten zehn Jahren hatte er drei Kunden, die ihre Rechnungen nicht zahlen konnten. Privatinsolvenz. Er hat nicht lange mit Zivilklagen rumgeeiert, sondern die Forderungen gleich an ein Inkassounternehmen verkauft.«
    »Was ist mit Konkurrenten?«
    »Der nächste Bauschlosser ist in Traisa, die teilen sich den Markt auf hier in der Gegend. Aber Konkurrenz? Die haben beide so volle Auftragsbücher, die Nachfrage hier hätte sicher noch einen dritten oder vierten Betrieb mit durchgefüttert.«
    »Soziales Umfeld?«
    »Der gehörte in Ober-Ramstadt sozusagen zum Inventar. Freiwillige Feuerwehr, Angelsport, Chor, Karneval – hier gibt’s kaum einen Verein, in dem Schmucker nicht Kassenwart, Schriftführer oder Vorstand war. Galt allgemein als verlässlich und gewissenhaft.«
    »Was ist mit der lieben Familie?«
    »Zwei Schwestern, in Hanau und Biebesheim. Sind beide noch nicht vernehmungsfähig. Bis dato aber keine Hinweise auf Erbstreitereien oder sonstigen Familienzwist. Sein Vater lebt in einem Seniorenstift in Kranichstein. Alzheimer. Zwei Kollegen sind bei ihm, er hat noch gar nicht kapiert, dass er seinen Sohn verloren hat. Hat ihn dort zweimal die Woche besucht. Vorbildlicher Mensch gewesen, dieser Schlosser.«
    »Rosenkrieg mit seiner Frau?«
    »Wenn ja, haben die beiden das gut verborgen. Aus dem Umfeld hat jedenfalls keiner was mitbekommen.«
    Die Besprechung mit Wedel glich mehr einem Verhör, musste sich Rünz eingestehen. Aber Wedel gab sich keine Blöße, hatte zu jeder Frage etwas Substanzielles auf der Pfanne. Eines musste man diesem Typen lassen, dachte Rünz. Wedel hatte zwar einen beschränkten Horizont, aber er erledigte seine Arbeit genau, schnell und zuverlässig. Wie dieser Schmucker. Eigentlich konnte sich Rünz glücklich schätzen, einen Assistenten zu haben, der ihm den Rücken freihielt für den systematischen Aufbau seiner Karriere als Bestsellerautor. Außerdem hatte er wirklich keinen Grund, ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn er Wedel die ganze Drecksarbeit machen ließ. Hoven hatte ihn schließlich zu Höherem berufen. Und die wichtigste aller Führungsqualitäten

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