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Kontrollverlust - Kontrollverlust

Kontrollverlust - Kontrollverlust

Titel: Kontrollverlust - Kontrollverlust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gude
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war die Fähigkeit, Verantwortung zu delegieren.
    »Was ist mit seinen Nachbarn?«, bohrte Rünz nach. Irgendwie musste er Wedel doch an seine Grenzen bringen. »Auseinandersetzungen, Grenzstreitigkeiten et cetera?«
    »Im Haus gegenüber lebte bis vor einem Jahr ein Rentner, der sich permanent beschwerte, wenn Schmucker am Wochenende den Schmiedehammer schwang. Aber der Alte ist inzwischen gestorben. Da haust jetzt eine WG, bei der regelmäßig Punkbands aufspielen. Denen müsste man mit dem Schmiedehammer einen Scheitel ziehen, damit die sich belästigt fühlen.«
    »Wer hat ihn zuletzt gesehen?«
    »Sein Altgeselle, nach aktuellem Kenntnisstand. Der hat sich nach eigener Aussage um 17:30 Uhr ins Wochenende verabschiedet. Er sagt, sein Chef hätte abends meistens so bis 20:00 oder 21:00 Uhr gearbeitet, selten länger. Arbeitsvorbereitung für den nächsten Tag, Materialbestellungen und so weiter. Laut Terminkalender hatte Schmucker um 16:00 Uhr den letzten Außentermin, hat Aufmaß bei einem Kunden in Reinheim gemacht. Ist um 17:00 Uhr zurückgekommen, seitdem hat ihn außerhalb der Werkstatt keiner mehr gesichtet. Seine Frau hat um 24:00 Uhr den Altgesellen aus dem Bett geklingelt, weil ihr Mann noch nicht zu Hause war. Der hat Schmucker dann so um 0:30 Uhr in der Werkstatt gefunden.«
    »Was hat der Typ gebaut? Irgendwelche speziellen Sachen?«
    »Geländer, Treppen, Tore, Carports, Überdachungen, Balkone, Gitter – das Standardprogramm der Bauschlosserei. Der hat alle Einfamilienhausbesitzer hier in der Gegend beglückt. Zufriedene Kunden.«
    Na also, dachte Rünz. Klarer Fall von Arbeitsunfall. Hoven würde in der Sache sowieso kein Fass aufmachen, und er konnte sich in den nächsten Tagen wieder voll auf seinen Vince-Stark-Plot konzentrieren. Rünz hoffte inständig, dass sich keine Anhaltspunkte für Fremdverschulden ergaben. Mehrere Wochen stupider Ermittlungsarbeit hätten ihn mit seinem Roman entscheidend zurückgeworfen. Wenn er im Oktober auf der Frankfurter Buchmesse auflief, brauchte er etwas, das er vorweisen konnte.
    »Was ist mit diesen gelöschten Dateien?«, fragte Rünz, nur der Vollständigkeit halber.
    »Ich dachte schon, du würdest nie fragen, Karl«, begeisterte sich Wedel, nahm eine dicke Rolle Ausdrucke von seiner Schreibtischplatte und breitete das Material auf dem Besprechungstisch aus.
    ›Ich dachte schon, du würdest nie fragen, Karl‹ – verdammte Duzerei! Ein schwacher Moment auf dem Sommerfest des Präsidiums, einige Pfungstädter Pils über den Durst, schon war die segensreiche Distanz zwischen Vorgesetztem und Untergebenem dahin. Was soll’s, hatte Rünz gedacht. Duzen sich ja alle im Präsidium. Aber schon nach wenigen Tagen hätte er alles am liebsten rückgängig gemacht. Wedel hatte das Angebot als informelle Beförderung interpretiert und jeden Rest von Respekt gegenüber Rünz verloren.
    »Unter anderem zwölf CAD-Dateien mit dreiundzwanzig Konstruktionszeichnungen«, sagte Wedel stolz.
    Rünz versuchte, sich auf dem Gewirr von Umrissen, Schnittlinien, Bemaßungen und Textfeldern zu orientieren. Es handelte sich um Grundrisse, Seitenansichten, Schnitte und isometrische Darstellungen eines Gerätes, dessen Funktion sich ihm nicht erschloss. »Sieht aus wie reiner Maschinenbau, überhaupt nicht sein Metier«, murmelte Rünz. »Was zum Teufel ist das? Ein Fotostativ?«
    »Würde für eine Kamera reichen, die zweieinhalb Tonnen wiegt. Schau dir die Bemaßung an. Das Ding hat eine Spannweite von fast vier Metern. Mit diesem Gerät kann man etwas sehr Großes und Schweres sehr präzise drehen. Definitiv viel größer und schwerer als eine Filmkamera. Vielleicht ein Kinderkarussell. Aber für ein Karussell braucht man nicht so ein aufwändiges Präzisionsgerät, das geht viel billiger und einfacher mit einem einfachen Waschmaschinenmotor und einem Reibrad.« Wedel lief zu Hochformen auf, er legte den Ausdruck einer Exceltabelle auf den Tisch, klein bedruckt. »Das hier ist die Stückliste zu der Zeichnung. Artikelnummern, Bezeichnungen, Anbieter, Menge, Verpreisung. Die meisten Positionen sind aus dem Standardprogramm des gut sortierten Metallgroßhandels – Edelstahlhalbzeug, Konstruktionsprofile, Bleche, Rohre. Interessant sind die letzten drei Positionen. Und hier sind die dazugehörigen Rechnungen.«
    Er klaubte vier einzelne Ausdrucke aus dem Papierstapel hervor. »Das hier ist eine Rechnung für einen MOTOX-Getriebemotor von Siemens, hohes Drehmoment, hohe

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