Kopernikus 2
im hellerleuchteten Korridor, in der Sicherheit des Lichts angelangt, begann sie am ganzen Leibe zu zittern.
Pseudomitternacht. Die Gespräche waren verstummt, die alptraumhafte Episode war zumindest im Augenblick ve r drängt. Schlaf umhüllte die Expeditionsmitglieder. Sogar Karoly d’Branin war zu Bett gegangen, der Appetit auf seine allnächtliche Schokolade war ihm durch die Ereignisse des Tages gründlich verdorben worden.
Aus der Dunkelheit des größten Frachtraumes, in dem drei Schlafnetze aufgespannt hingen, drang leichtes Schna r chen. Aber nur zwei Passagiere schliefen. Die Kybernetik e rin lag im dritten Netz und dachte nach. Schließlich erhob sie sich lautlos, zog ihre Kombination an, schlüpfte in ihre Stiefel und rüttelte vorsichtig die Xenotechnikerin wach. „Steh auf und komm mit“, flüsterte sie. Sie stahlen sich be i de hinaus in den Korridor. Melantha schlief den Schlaf der Gerechten, tief und fest.
„Was, zum Teufel, ist eigentlich los?“ knurrte die Xen o technikerin , als die Kybernetikerin die Laderaumtür hinter ihnen geschlossen hatte. Sie war nur halbangekleidet, mü r risch und ungnädig.
„Ich will herausfinden, ob Royd die Wahrheit gesagt hat, und ich weiß auch, wie“, flüsterte die Kybernetikerin. „M e lantha hat zwar sicher nicht gern, was ich vorhabe, aber das ist mir egal. Hast du Mut?“
„Hm?“ Trotz ihres ungnädigen Gesichtsausdrucks war die Kollegin interessiert.
„Komm mit“, sagte die andere knapp.
Einer der kleineren Lagerräume beherbergte das mittle r weile angeschlossene Computersystem. Vorsichtig schlüp f ten sie in den Raum. Das System war auf Fernbedienung geschaltet und erweckte den Anschein, als träume es vor sich hin: Gespenstisch flackerten ganze Reihen von farbigen Lämpchen auf, die einem geheimnisvollen Rhythmus zu gehorchen schienen. Der Raum war nur durch diese Ko n trolleuchten schwach illuminiert. Ein schwaches, kaum zu vernehmendes, tieffrequentiges Brummen kam aus der A p paratur. Die Kybernetikerin ging entschlossen auf das S y stem zu und aktivierte es mit wenigen geübten Handgriffen. Langsam schien der Computer zu erwachen.
„Mensch, was machst du denn?“ fragte die Xenotechnik e rin.
„Karoly hat mir aufgetragen, unser System mit dem di e ses Schiffes zu verkoppeln“, sagte die Kybernetikerin wie beiläufig. „Wie er mir sagte, wollte Royd unsere Daten über die Volcryn studieren. Na gut, ich bin diesem Ersuchen nachgekommen. Verstehst du, was das bedeutet?“
Jetzt war die Xenotechnikerin hellwach. „Die beiden S y steme sind miteinander verbunden!“
„Ganz recht! So kann sich Royd Informationen über die Volcryn holen – und wir uns über ihn.“ Sie grinste. „Es ist schade, daß ich nicht mehr über das Bordsystem der Nach t fee weiß, aber ich hoffe, meine Informationen reichen aus. Unser Apparat ist jedenfalls auf dem aktuellen Stand der technischen Entwicklung, und das Anzapfen sollte keine Probleme bereiten.“
„Sag mal, kannst du auf diese Weise nicht gleich das Kommando übernehmen?“
Die Kybernetikerin machte Stielaugen. „Du bist wohl schon wieder betrunken, was?“
„Nein, mal ganz im Ernst. Laß uns unser System dazu b e nutzen, Eris Räume zu öffnen. Dann überwältigen wir ihn, programmieren seinen Computer neu, übernehmen das Kommando …“
„Das ginge vielleicht“, antwortete die Kybernetikerin b e dächtig, „aber warum die Umstände?“
„Na ja, wir könnten das ja für alle Fälle vorbereiten. Dann könnten wir im Bedarfsfall blitzschnell die Kontrolle übe r nehmen.“
Die Kybernetikerin zuckte mit den Schultern. „Ach was, du mit deinen Vorstellungen. Bedarfsfall … gasförmige G i ganten, wie? Hör mal, mir geht es nur um Royd und sein Geheimnis.“ Sie ging hinüber zum Empfangsteil des Co m puters und aktivierte einen der sechs etwa quadratmetergr o ßen Bildschirme. Mit flinker Hand fuhr sie über die hol o graphische Tastatur, die permanent andere Formen annahm. Der Bildschirm erwachte zum Leben. Allerlei Konturen und Schemen huschten über ihn hinweg. Die Kybernetikerin beobachtete alles mit gespannter Aufmerksamkeit. Blit z schnell drückte sie eine Taste, und die Bewegung auf dem Schirm erstarrte. „Da“, sagte sie. „Die mir fehlenden Info r mationen über den Aufbau des Bordsystems. Deine Übe r rumpelungsidee kannst du dir abschminken, Schätzchen, es sei denn, deine gasförmigen Giganten helfen dir. Das S y stem dieses Schiffes ist weitaus
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