Kopf frei
einfach Schnee von gestern. Sie haben weder Bezug zu uns heute noch zu unseren Gesprächspartnern. Auch Geschichten ohne Vergangenheitsstaub können meist als irrelevant aussortiert werden. Geschichten vereiteln auch dann Kontakt und Gegenwart, wenn sie keine relevanten Aussagen enthalten, keinen Bezug zum Zuhörer und Sprecher haben und zur Krönung noch mit Kommentaren zu Erinnerungsschwächen gespickt sind.
Ein abschreckendes Beispiel: Gerda und Theo – Klappe, die erste
Gerda (zu ihrem wehrlosen Mann Theo) : Stell dir vor, Klara hat mir erzählt, dass der Sohn ihrer Bekannten (spätestens an dieser Stelle hat Theo schon abgeschaltet) in einem Supermarkt in Braunschweig ... oder war es Bremen? Also es fing mit B an ... Hm. Was hat sie doch gleich gesagt? Am Ende Berlin? Jedenfalls der Sohn der Bekannten hat da in dem Supermarkt ein Dings gekauft. Ach, sag schon, ein, ähm, genau, ein Fahrrad. Ein Fahrrad im Supermarkt! Und dann wollte er mit dem Rad durch die Vogesen fahren. Erst natürlich Anreise per Bahn, aber dann losradeln. Wie hieß doch bloß die Stadt mit dem Supermarkt?
Kommentar: Theo kennt Klara flüchtig, deren Bekannte gar nicht und den Sohn derselben erst recht nicht. Ihm ist völlig egal, in welcher Stadt sich der Unbekannte was gekauft hat und was er damit tut. Gerdas Worte haben keinerlei Bezug zu ihm oder Gerda. Somit glückte es seiner Frau, jedweden Kontakt im Keim zu ersticken.
Wir können uns fragen, ob sich eine wirkliche, also eine kontakt-und gegenwartsbezogene Absicht hinter solchen Geschichten verbirgt. Produziert Gerda hier nur Verbalausschuss oder will sie etwas ganz anderes sagen? Gerda fühlt also in sich hinein (Trainingspunkt 1), womit sie immerhin Kontakt zu sich selbst herstellt, und findet heraus, dass sie so gerne mal einen Radurlaub machen würde. Dazu wären aber einerseits neue Fahrräder nötig und andererseits müsste Theo erst mal 15 Kilo abnehmen. Sie spürt noch tiefer, wie sehr sie Theos stetig zunehmende Fettleibigkeit besorgt. Nun könnte sie anstelle der Geschichte vom Sohn der Bekannten einer Bekannten ganz direkt über das sprechen, was sie spürt.
Gerda und Theo – Klappe, die zweite
GERDA:
Theo, ich hätte solche Lust, mal einen Radurlaub zu machen. Und du?
THEO:
Nee, is nix für mich. Zu anstrengend.
GERDA:
Zu anstrengend? Kannst du das genauer sagen?
THEO:
Ach, lass mich in Ruhe. Die Pumpe! Ich komm so schnell in Atemnot.
GERDA:
Ich will dich nicht in Ruhe lassen, weil ich mir Sorgen mache, Mensch!
THEO:
Du? Sorgen? Wieso?
GERDA
(spürt genau bei sich und sagt dann) : Theo, du bist mir so lieb und wert, dass es mir wehtut zu sehen, in welcher körperlichen Verfassung du bist.
THEO:
Ja, was soll ich machen?
GERDA
(passt höllisch auf, spürt genau, dass sie nicht in ein co-abhängiges Gewichtsreduktionsringen schlittern darf und fragt) : Willst du denn was machen?
THEO:
Tja, eigentlich schon, wenn ich so drüber nachdenke.
GERDA:
Und was könntest du dir vorstellen?
Mit der letzten Frage gibt Gerda die Initiative an Theo zurück, wodurch im besten Fall einem co-abhängigen Gekrampfe vorgebeugt wird. Wie auch immer Theos Zustand sich entwickeln mag, dieses Gespräch
► war ehrlich,
► hatte Bezug zu Gerda, weil es von ihrer Urlaubsvorliebe und ihrer Sorge um Theo handelte,
► bezog sich auf Theo, weil es ganz konkret um ihn ging,
► war gegenwartsrelevant
► und zeitigt im besten Falle positive Konsequenzen für die Zukunft.
Wenn Gerda sich zwar ihrer Radellust und ihrer Sorge um Theo bewusst gewesen wäre, aber nicht gewagt hätte, direkt darüber zu sprechen, wäre folgender Fehllauf denkbar gewesen:
Gerda und Theo – Klappe, die dritte
GERDA:
Ich fand unseren letzten Urlaub richtig blöd. Kam mir in dem Schnarchhotel fast vor wie in einem Sanatorium.
THEO
(ist verletzt und brummelt) : Hm.
GERDA:
Übrigens, ist dir schon mal aufgefallen, dass unser Briefträger in deinem Alter ist? (Wartet nicht auf Theos Antwort) Und der macht die gesamte Postzustellung mit dem Fahrrad. Das find ich einfach klasse!
THEO
(verärgert) : Dann lach ihn dir doch an.
GERDA
(auch verärgert) : Gute Idee!
Indirektes Sprechen geht schnell in die Hose! Deshalb sahnen wir durch die folgenden Trainingshinweise das meiste für Kontakt und Gegenwart ab,
► wenn wir spüren, was sich hinter bestimmten Geschichten verbirgt,
► wenn wir das so Gespürte direkt zum Ausdruck bringen,
► wenn wir auch während des Gesprächs gut im Kontakt mit uns und dem Gesprächspartner
Weitere Kostenlose Bücher