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Kopfjagd

Kopfjagd

Titel: Kopfjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Gesicht zu mir auf. Ich sagte sanft: »Du solltest so etwas nicht tun.«
      Sie lächelte und begann die Sachen durch das Gitter zu schieben, die sie besorgt hatte. Eine Flasche Wein, Brot, Oliven, einige lange Würste und zwei Päckchen Artistas samt Streichhölzern.
      »Guten Appetit, meine lieben Freunde«, sagte da Colonel Bonilla und trat aus dem Schatten des Bogendurchgangs rechts von uns, in dem er bisher gestanden und alles beobachtet hatte.
    »Lassen Sie es nicht an dem Mädchen aus, Bonilla«, bat ich,
    als er herankam. »Sie hat nur versucht, gut zu uns zu sein.«
      Sie sah ihn ängstlich an. Aber er tätschelte nur ihren Kopf und sagte: »Mach, daß du fortkommst, Kind, und halte dich von hier fern, sonst gibt es nur Scherereien.«
      Zu meiner Verblüffung lächelte sie ihn an, flüchtig zwar nur, aber es war doch da, dann schenkte sie mir noch einmal einen Blick, ehe sie davoneilte.
      Bonilla sagte: »Ja, liebe Freunde, es ist immer gut zu essen in diesem Leben, wenn man kann, denn man kann ja nie sicher sein, ob es nicht das letzte Mal ist.«
    Und nach dieser ermutigenden Bemerkung überließ er uns unserem Mahl und verschwand wieder im Schatten des Bogengangs, aus dem er gekommen war.

    5

    Mein Vater, ein überzeugter irischer Fenier bis zu dem Tag, an dem er in einem englischen Gefängnis an Tuberkulose starb, überließ mich der Fürsorge meines Großvaters Mickeen Bawn Keogh aus Stradballa in der Grafschaft Kerry.
      Dazu muß man wissen, daß Mickeen Bawn kleiner weißer Michael bedeutet, eine Beschreibung, die mir freilich nie recht einleuchten mochte. Denn wenn auch sein Haar schon seit seiner Knabenzeit schlohweiß gewesen war, war er doch einsfünfundneunzig groß. Ein sanfter Riese von einem Mann, vom Trinken einmal abgesehen. Ich habe ein halbes Dutzend harte Männer, die selbst keine Winzlinge waren, vor ihm davonlaufen sehen, wenn er betrunken war. In seiner Jugend war er nämlich, neben manchem anderen, auch ein Preisboxer gewesen.
      Das war die Umgebung, in der ich aufwuchs, auf einer KerryFarm, wo es die besten Pferde Irlands gab. Und das will besagen, daß weder die ganze Welt noch irgend etwas, das sie zu bieten hat, sich jemals mit jenen Tagen messen konnte. Ein Hinterland, das so still war, daß man die Hunde aus der nächsten Grafschaft bellen hören konnte. Süßduftende Morgen und Sonnenuntergänge zum Schwärmen. Kein Anfang, kein Ende, die Zeit ein Kreis. Bis mein Großvater beschloß, daß ich, weil ich was im Kopf hätte, zu den Jesuiten nach Knockbree auf die Schule gehen sollte, um dort ein gelehrter Mann und womöglich eines Tages sogar ein Gentleman zu werden.
    Als ich dann ins chirurgische College aufgenommen wurde und später auch an die Universität, gab es keinen stolzeren Mann weit und breit als mich. Aber trotz alledem sind wir Menschen immer nur, was wir unserer Herkunft nach sind, und daraus gibt es kein Entrinnen. Ich ging nach Dublin, um mehr über die Heilkunst zu lernen, und dort traf ich einen Mann namens Michael Collins, der eine andere Verwendung für mich hatte.
      Nach den Osterunruhen ging ich auf seine Weisung zur Universität zurück und saß dort meine Zeit ab. Blieb auch während der folgenden Jahre dort. Medizinstudent tagsüber – ein besseres Alibi konnte es nicht geben – und Mitglied der Geheimarmee in der Freizeit. Emmet Oge Keogh – kleiner Edmund Keogh. Seine starke rechte Hand, so pflegte er mich zu nennen. Und weiß Gott, ich tötete oft genug in jenen Tagen für ihn oder für Irland, je nachdem, wie man das sehen will.
      Über einige dieser Dinge sprach ich in den ersten drei Tagen unserer Gefangenschaft mit van Horne. Denn ich mochte diesen Mann tatsächlich, vermutlich weil er mich so sehr an meinen Großvater erinnerte. Und davon abgesehen gab es ohnehin nicht viel anderes zu tun, als miteinander zu reden, denn man gab uns auch keine Arbeit oder irgend sonst etwas zu tun während dieser ersten Tage.
      Wir mußten uns auch mit der Wassersuppe bescheiden, die man uns jeden Mittag in einem alten Emaileimer brachte, weil uns Victoria nicht mehr mit Essen aus der Stadt versorgen konnte. Seit dem ersten Abend, als Bonilla aufgetaucht war, stand draußen vor dem Fenster ein Wachtposten.
      Das ging drei Tage lang so, und es waren drei Tage zuviel, zumal unsere Nerven zu zerreißen begannen. Ich erinnere mich, wie van Horne am Fenster stand, es war kurz vor der Abenddämmerung, und ein wenig Luft zu schnappen

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