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Kopfloser Sommer - Roman

Kopfloser Sommer - Roman

Titel: Kopfloser Sommer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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achtzehn Jahren starb, ließ sie sich ein neues Haus bauen und zog dort ein. Jetzt ist es nicht mehr ganz neu, aber es gibt eine Fußbodenheizung im Badezimmer und die Türschwellen fehlen. Es heißt, Frau Larsen hätte die Schwellen selbst herausgerissen; sie kann so etwas. Wenn bei uns ein Wasserhahn tropft, kommt sie und tauscht die Dichtung aus. Es dauert eine gewisse Zeit, aber auf diese Weise spart sie die Handwerkerrechnung. Und bei diesen Gelegenheiten kann sie sich gleich darüber auslassen, dass die neuen Gardinen, die wir gekauft haben, nicht zu unserem Sofa passen. Natürlich nur, wenn jemand ihre Meinung hören will. Eigentlich will das niemand; Mutter versucht jedenfalls, ihr möglichst aus dem Weg zu gehen.
    Drüben im Haus ist noch Licht, aber Frau Larsen dürfte vermutlich keine große Hilfe sein, sollte unser Gast sich doch als gefährlich erweisen. Und das Haus daneben steht leer und ist zu verkaufen. Auf unserer Straßenseite wohnt noch ein älteres Ehepaar, die beide in Kopenhagen arbeiten und immer erst spät nach Hause kommen. Vom Badezimmerfenster aus kann ich ihr Haus nicht sehen, aber ich vermute, dass sie bereits zu Bett gegangen sind. Irgendwo bellt ein Hund; der einzige Hund weit und breit, denn kein anderer Hund antwortet. Alles ist so anders als in der Stadt. Früher war immer irgendjemand in der Nachbarwohnung, und wenn nicht, dann zumindest über oder unter uns. Spielte man zu laut Musik, gab es immer jemanden, der sich beschwerte. Auf dem Land hingegen, wo es angeblich so friedlich ist, ist man sich selbst überlassen. Ich bezweifele, dass irgendjemand uns hören würde, sollten wir um Hilfe rufen.
    Ich gehe nach unten in mein Zimmer, ohne gute Nacht zu sagen. Aber ich bin neugierig und lasse die Tür einen Spalt offen, so dass ich die beiden im Wohnzimmer hören kann. Ich muss doch wissen, was sie machen. Ich nehme mir vor, wach zu bleiben, mein Handy liegt neben mir. Diesmal ist es eingeschaltet.
    Erst gegen Mitternacht geschieht etwas: Gleich neben meinem Zimmer wird die Tür des Gästezimmers geöffnet und wieder geschlossen, Schritte sind zu hören. Eine Schranktür. Ich vermute, dass unser Gast sich auszieht. Ich höre keine Stimmen, wahrscheinlich ist er allein – wenigstens das. Das Geräusch eines Lichtschalters und das Knarren des Bettes, dann ist es still. Starr vor Angst, dass mein Bett auch knarrt, bleibe ich regungslos liegen; sonst merkt er, dass ich auf der anderen Seite der dünnen Wand liege. Das ist zu nah, zu intim, ich wage kaum zu atmen.
    Ich zermartere mir den Kopf, was er als Kind wohl erlebt haben mag, mich interessiert seine Lebensgeschichte. Aber er kann uns ja das Blaue vom Himmel erzählen. Im Prinzip könnte er in der Nacht aufstehen und uns alle drei vergewaltigen, um dann das ganze Haus zu plündern und anzustecken. Gibt es irgendwelche Hinweise, dass er so etwas vorhat? Eigentlich nicht. Er ist ein wenig geheimnisvoll, scheint aber kein gewalttätiger Typ zu sein. Und man kann über Mutter ja sagen, was man will, aber Respekt verschafft hat sie sich mit dem Baseballschläger. Wir werden noch lange darüber reden, wie sie ihn bewusstlos geschlagen hat. Bestimmt wird Jacob die Geschichte Vater erzählen, und er wird sich darüber wundern. Vor allem darüber, dass Mutter einen fremden Mann im Haus hat übernachten lassen. Ich glaube, es wird ihm nicht gefallen. Denn es ist ihm durchaus nicht egal, wie es uns geht, und was wir so treiben. Wenn Jacob und ich bei ihm sind,fragt er nach vielen Dingen und macht sich gleich Sorgen. Ich denke deshalb immer sehr genau nach, bevor ich ihm etwas erzähle; allerdings ist das auch anstrengend. Meist bin ich vollkommen erschöpft, wenn wir wieder nach Hause kommen.
    Im Nebenzimmer knarrt das Bett, auf dem Boden sind Schritte zu hören, der Lichtschalter klickt. Wieso ist er aufgestanden? Die Tür zum Flur wird geöffnet, will er doch zu Mutter? Dachte ich’s mir doch. Sie wollten nur abwarten, bis ich eingeschlafen bin. Aber die Schritte führen nicht die Treppe hinauf zu Mutters Schlafzimmer, sondern kommen auf meine Tür zu! Ich ziehe die Decke über den Kopf, das Herz schlägt mir bis zum Hals, ich halte das Handy bereit. Was will er? Mich umbringen? Vielleicht hat er auch nur dagelegen und an mich gedacht ‒ und nun will er meinen Körper? Oder vielleicht beides? Und die Reihenfolge ist ihm egal. Ich bin kurz davor, Vater anzurufen, lasse es zum Glück aber, denn jetzt höre ich, wie die Hintertür geöffnet

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