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Korona

Korona

Titel: Korona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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durchbrochen wurde. Ein einzelner Mondstrahl fiel durch die rasch dahinziehenden Wolken und tauchte das Bauwerk in übernatürliches Licht. Stumm und geheimnisvoll stand es da, wie ein Tor zu einer fernen Vergangenheit.
    Einen Moment lang war die Vision real, dann wurde sie von den Wolken verschluckt. Das Licht erlosch.
    Ray spürte, wie sein Herz vor Aufregung pochte. Dieser Fund war eine Sensation. Wie war es nur möglich, dass niemand vor ihm davon berichtet hatte? Konnte es sein, dass er der erste Weiße war, der diesen heiligen Boden betrat? Oder war vor ihm schon jemand hier gewesen und hatte nur keine Gelegenheit gehabt, davon zu berichten?
    Ray nahm seinen ganzen Mut zusammen und betrat die Senke. Auf einer ehemaligen Prachtstraße durchquerte er die Ruinen, deren Überreste wie die gebeugten Leiber heidnischer Priester wirkten. Hoch oben in den Wipfeln setzte erneut heftiger Regen ein. Nicht lange, dann würde es hier unten patschnass sein. Wenn er trocken bleiben wollte, gab es nur einen Weg – den ins Innere der Pyramide.
    Fröstelnd betrat er die freie Fläche, die das Bauwerk umgab. Die Pyramide war von solch allumfassender Schwärze, dass das Licht seiner Lampe gerade ausreichte, um einzelne Bauelemente hervorzuheben. Obwohl sie stark von Lianen und Würgefeigen überwuchert war, schien sie den Ansturm der Jahrtausende unbeschadet überstanden zu haben. Ein Detail sprang ihm sofort ins Auge. Es war ein Tor, das mit abstrakten Elementen geschmückt war. Ray ging darauf zu und legte seine Hände dagegen. Eine massive Steinplatte machte ein Weiterkommen unmöglich. Er tastete die Ränder ab, konnte jedoch keinen Öffnungsmechanismus entdecken. Aus Mangel an Alternativen umrundete er die Pyramide, musste jedoch feststellen, dass dies der einzige Zugang war.
    Ein heftiger Wind setzte ein. Die Baumwipfel wogten hin und her. Die Stämme gaben ächzende Geräusche von sich. Der Regen wurde zu einem Sturzbach. Ray versuchte ein letztes Mal, ins Innere der Pyramide zu gelangen. Er stemmte sich mit dem Rücken gegen die steinerne Pforte, verkeilte die Schuhe in Mauerritzen und begann, mit aller Macht zu schieben.
    Die Tür öffnete sich mit markerschütterndem Quietschen. Zentimeter für Zentimeter kratzte die Unterkante über den Steinboden und hinterließ dabei weiße Spuren aus gemahlenem Stein. Ein silberner Lichtstrahl fiel ins Innere des Tempels, vor dem der Schatten des Mannes wie ein schwarzer Scherenschnitt wirkte. Schwer atmend, das Herz vor Anspannung wild pumpend, stand der Eindringling eine Zeit lang im Türrahmen, ehe er es wagte, den Tempel zu betreten. Vorsichtig ging er einige Schritte, dann blieb er erneut stehen. Das war der Augenblick, auf den der Namenlose gewartet hatte. Mit einem Keuchen trat er hinter den Mann und stieß die Pforte wieder zu. Dann packte er seine Beute, hob sie hoch, wie ein Kind eine Puppe hochhob, und biss ihm mit einem furchterregenden Knacken den Kopf ab. Blut spritzte über die Wände. Die Arme des Namenlosen umklammerten sein Opfer und bohrten die feinen Wurzelfäden ins Fleisch. Der Körper konnte dem Druck nicht länger standhalten. Die Bauchhöhle platzte auf und spie eine Ladung Innereien und Gedärme auf den feuchten Untergrund. Die Fäden umspannten den zuckenden Leib und saugten und quetschten, bis nur noch eine leere Hülle übrig geblieben war. Dann ließ der Namenlose sein unglückseliges Opfer zu Boden sinken.
    Er legte seinen Kopf in den Nacken und ließ ein triumphierendes Heulen hören.
    Ray gab es auf. Die steinerne Pforte saß einfach zu fest. Jahrhundertealter Staub und Dreck waren eingedrungen und machten es unmöglich, die Felsplatte auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Ausgeschlossen, dass William oder irgendjemand anderer es geschafft hatte, dort einzudringen. Da würde man nur mit Stemmeisen oder schwerem Gerät weiterkommen. Am Boden waren keinerlei Kratzspuren oder Ähnliches zu entdecken, und einen anderen Weg in die Pyramide gab es nicht.
    Schweren Herzens entschied er, dass es Zeit war heimzukehren.
    So schnell es die schlechten Lichtverhältnisse und der glitschige Boden zuließen, eilte er zurück. Hoch oben in den Bäumen heulte der Orkan.
    Er folgte seiner alten Strecke, merkte aber bald, dass er einen falschen Weg eingeschlagen hatte. Immer dichter rückten die Ruinen heran. Gebäude, die er noch nie zuvor gesehen hatte, tauchten im Licht seiner Taschenlampe auf und versperrten ihm den Weg. Schlingpflanzen erschwerten das

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