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Korona

Korona

Titel: Korona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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wurde er von Jochen Feldkamp, dessen Sendung ›Newton & Co.‹ seit Jahren die Hitlisten der populärwissenschaftlichen TV -Sendungen anführte. Feldkamp mochte zwar eitel sein, aber er wusste genau, wann man reden durfte und wann man seinem Interviewpartner das Wort überlassen sollte. Im Fall von Dr.Krausnick war Letzteres angebracht, denn der Mann war für einen Wissenschaftler ausgesprochen medienerfahren. Er formulierte knappe Sätze, hatte eine angenehm klare und einfache Ausdrucksweise und besaß ein instinktives Gespür für interessante Kameraeinstellungen. Eine wohltuende Ausnahme für einen Berufsstand, der bekannt dafür war, selbst einfachste Vorgänge kompliziert aussehen zu lassen.
    Kameramann Urs Werner wischte einen Schweißtropfen von seiner Augenbraue, während er bemüht war, den Astrophysiker nicht aus der Optik zu verlieren. Die Sonne knallte heute mit geradezu unmenschlicher Intensität vom Himmel und erzeugte scherenschnittartige Kontraste auf seiner Netzhaut. Er verabscheute Sonnenbrillen, aber heute hätte er eine aufgesetzt, hätte er eine besessen.
    »Sie werden vermutlich fragen, warum diese Anlage so viele Stockwerke besitzt, immerhin befinden wir uns hier doch schon auf über zweitausend Metern Höhe.« Dr.Krausnick lächelte gewinnend in die Kamera. »Hier oben ist die Luft zwar relativ kühl, aber das dunkle Lavagestein ist ein ausgezeichneter Wärmespeicher. Es absorbiert die Sonnenstrahlen, heizt sich dabei auf und gibt die Wärme an die umgebenden Luftschichten ab. Das führt zu Turbulenzen, die unsere Messergebnisse beeinträchtigen können.« Der Leiter der Forschungseinrichtung umrundete die offene Rahmenstruktur des Teleskops. »Je höher also der Turm, desto besser das
Seeing,
wie es in der Fachsprache heißt.« Er ließ seine makellosen Zähne aufblitzen. » GREGOR ist für Messungen magnetischer Felder und Gasströmungen in der solaren Photosphäre und Chromosphäre ausgelegt«, fuhr er fort, während er parallel zur Kamera vor dem atemberaubenden Panorama des Teide auf und ab schritt. »Es wurde speziell für eine hochaufgelöste stellare Spektroskopie konstruiert und kann Bereiche von weniger als siebzig Kilometern auf der Sonnenoberfläche erfassen. Damit ist es fast so gut wie die Satelliten Soho, Trace und Yokkoh, die sich derzeit auf der Erdumlaufbahn befinden.«
    »Was genau wird in den kommenden Jahren Ihr Aufgabenschwerpunkt sein?«, hakte Feldkamp nach.
    »Das Hauptziel von GREGOR ist die Messung des solaren Magnetfeldes«, antwortete Krausnick. »Die magnetische Aktivität der Sonne spielt eine wichtige Rolle bei den Prozessen innerhalb der solaren Atmosphäre. Prozessen, die zur Entstehung von Sonnenflecken, Protuberanzen, Flares und koronalen Massenauswürfen führen können.«
    Feldkamp drängte mit interessiertem Gesicht ins Bild. »Das klingt kompliziert. Können Sie unseren Zuschauern das mit einfachen Worten erklären?«
    »Gern.« Der Leiter der Forschungseinrichtung blickte geheimnisvoll in die Kamera. »Die Sonne ist ein sehr komplexes Gebilde, dessen inneren Mechanismus wir gerade erst zu verstehen beginnen. Sie hat, im Gegensatz zu der Erde, nicht nur zwei, sondern sechs Magnetpole. Je einen auf der Nord- und Südhalbkugel und vier entlang des Äquators. Die Pole beeinflussen sich gegenseitig, das heißt, sie bewirken das Entstehen von Sonnenflecken und deren Wanderung über die Oberfläche.« Er rückte seine Brille gerade. »Sonnenflecken sind, wie viele Zuschauer vermutlich wissen, gigantische Magnetstürme auf der Oberfläche der Sonne, bei denen ungeheure Mengen von Plasma ins Weltall geschleudert werden. Manche dieser Ausbrüche sind so stark, dass das Plasma als Sonnenwind bis in unsere Atmosphäre reicht, wo es zu erheblichen Störungen im Funkverkehr führen kann. Je mehr Flecken, desto intensiver die Strahlung.« Er formte mit den Händen einen expandierenden Ball. »Alle elf Jahre kommt es zu einer
kleinen Ereignisperiode,
wie wir es nennen. Die Sonnenflecken – manche von ihnen zweimal so groß wie unsere Erde – erreichen ein vorläufiges Maximum und sammeln sich am Sonnenäquator, ehe sie wieder kleiner werden. Alle einhundertsiebenundachtzig Jahre kommt es zu einer
vollständigen
Periode. Dies ist der Moment, an dem die Fleckentätigkeit ihr absolutes Maximum erreicht. Die dabei auftretenden Energieströme sind so gewaltig, dass man sie sogar in den Jahresringen von Bäumen nachweisen kann. Es gibt sogar noch größere Zyklen, die

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