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Korridore der Zeit

Korridore der Zeit

Titel: Korridore der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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ihrer Worte. Langsam, während er sich an die Sprache gewöhnte, fand er, daß sie eine komplizierte Grammatik hatte und viele feine Unterschiede kannte, die dem zivilisierten Menschen unbekannt waren. So gab es beispielsweise zwanzig verschiedene Worte für ›Wasser‹, je nachdem, welches Wasser gemeint war und auf welche Umstände es sich bezog. Andererseits fand er, daß er unfähig war, Begriffe wie ›Masse‹, ›Regierung‹ oder ›Monotheismus‹ auszudrücken, wenn er nicht zu den ausgefallensten Umschreibungen Zuflucht nehmen wollte. In den folgenden Tagen entdeckte er, welche völlig andere Bedeutung Begriffe wie ›Sache‹, ›Zeit‹, ›Selbst‹ und ›Tod‹ in dieser Sprache hatten.
    »Es handelt sich um ein Molekularkodegerät«, sagte Storm auf Englisch. »Es speichert die wichtigsten Sprachen und Gebräuche eines Zeitalters und eines Gebietes – in diesem Falle Nordeuropas, von dem, was eines Tages Irland sein wird, bis zum späteren Estland. Das Gerät bezieht seine Energie aus Ihrer Körperwärme und bedient sich für die Leistung der Nervenströmungen Ihres Gehirns. Mit anderen Worten, Ihr natürliches Erinnerungsvermögen ist um ein künstliches Gedächtniszentrum verstärkt worden.«
    »Das alles steckt in diesem kleinen Ding?« fragte Lockridge ungläubig.
    Storms breite Schultern hoben und senkten sich. »Ein Chromosom ist noch kleiner, kann aber mehr Auskünfte geben. Machen Sie uns nun etwas zu essen.«
    Lockridge war froh, Zuflucht zum alltäglichen Kochen über dem Lagerfeuer nehmen zu können. Zudem hatte er sich schlafen gelegt, ohne eine Abendmahlzeit einzunehmen. Die Bündel enthielten Konserven mit Gerichten, die Lockridge nicht kannte, aber sie schmeckten aufgewärmt köstlich. Storm bedeutete ihm ungeduldig, den Rest der Dosen zurückzulassen. »Wir werden von der Gastfreundschaft leben«, sagte sie. »Diese eine Bratpfanne ist ein so großartiges Geschenk, daß sie uns, selbst am Hofe Pharaos, ein Jahr lang den Unterhalt garantieren sollte.«
    Lockridge mußte lachen. »Und was, wenn ein Archäologe sie vier Jahrtausende später aus dem Küchenabfall eines Haushalts fischt?«
    »Eisenblech ist in diesem feuchten Klima bis dahin längst zerfallen. Die Zeit läßt sich nicht betrügen.«
    Sie sah zu, wie er das Feuer auslöschte, dann machte sie ihn mit der Handhabung der Torkontrollröhre bekannt und versteckte sie mit ihren Kleidungsstücken aus dem 20. Jahrhundert in einem hohlen Baum. Die Waffen behielten sie. Sie nahmen ihr Gepäck auf die Schultern und machten sich auf den Weg.
    »Unser Ziel ist Avildaro«, erklärte Storm. »Ich war selbst nie dort, aber es ist ein Anlaufhafen, und wenn in diesem Jahr dort kein Schiff erwartet wird, erfahren wir, wohin wir uns wenden müssen.«
    Die Sonne war aufgegangen, die Nebel lösten sich auf, ein Himmel mit kleinen weißen Wolken wölbte sich über ihnen. Am Rand des Waldes blickte Storm sich suchend um. Unter den hohen Eichen hatte dichtes Unterholz eine fast unüberwindbare Mauer geschaffen. Storm brauchte eine Weile, um den Weg nach Norden zu finden – einen schmalen, gewundenen Pfad, mehr von Tieren als von Menschen benutzt.
    »Geben Sie acht, keinen Schaden anzurichten«, warnte sie ihn. »Wälder sind heilig. Niemand darf jagen, ohne IHR zuvor ein Opfer zu bringen, kein Baum darf gefällt werden, der nicht zuvor versöhnlich gestimmt wurde.«
    Der Wald war nicht sehr tief. Nach wenigen Stunden hatten sie ihn durchquert. Flaches Land reichte nun nach Norden und Westen bis an den schimmernden Horizont. Der Weg verbreiterte sich, schlängelte sich um ein Sumpfloch. Irgend etwas erweckte Storms Aufmerksamkeit. Ihre Muskeln spannten sich, ihre Hand senkte sich an die Pistole. Lockridge beugte sich zugleich mit ihr herab. Wagenräder und Hufe ohne Eisen hatten ihre Spuren auf dem feuchten Boden hinterlassen. Zwei oder drei Tage zuvor hatte jemand dieses Gebiet durchquert und ...
    »Soweit sind sie also gekommen«, murmelte Storm Darroway.
    »Wer?« fragte Lockridge.
    »Die Yuthoaz.« Der Diaglossa verriet ihm, daß sich unter dieser Bezeichnung ortsansässige Stämme aus der Steinzeit verbargen.
    Storm richtete sich auf, rieb sich das Kinn und legte die Stirn in Falten. »Die zur Verfügung stehenden Auskünfte sind dürftig«, sagte sie unbehaglich. »Niemand hielt diesen Ort für wichtig genug, um genauere Erkundigungen einzuziehen. Wir wissen nicht, was sich dieses Jahr hier ereignen wird.« Nach einer Pause fuhr sie fort:

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