Korridore der Zeit
Lockridges. Er saß auf einer Bank vor der Tür und ließ sich eine Pfeife schmecken. Er hatte den Tabak vermißt, obwohl er kein leidenschaftlicher Raucher war, und empfand es als rücksichtsvoll, wenn auch leicht anachronistisch, daß die Wardens die Hütte mit Tabak und Tonpfeifen versehen hatten. Er hörte Auris Schritte und blickte auf.
Bisher hatte er in ihr nur das Kind gesehen, das er unter seinen Schutz gestellt hatte, aber heute morgen war sie unbekleidet zur Erkundung des Sumpfes aufgebrochen, der ihrem früheren Zuhause ähnelte, und nun bot sie sich Lockridges Blick als eine völlig andere dar. Sie bewegte sich mit der Geschmeidigkeit eines Rehes, die blauen Augen groß und glänzend im kecken Gesicht. Sie lächelte, als Lockridge aufstand, weil sein Puls zu jagen begann.
»Komm mit und sieh es dir an«, rief sie. »Ich habe das herrlichste Boot gefunden.«
»Großer Gott!« Er begann zu schlucken. »Zieh dir etwas über, Mädchen.«
»Warum? Die Luft ist warm.« Sie tanzte vor ihm. »Malcolm, wir können aufs Wasser hinausfahren und fischen. Der ganze Tag gehört uns, und die Göttin ist glücklich, und du mußt dich inzwischen ausgeruht haben, worauf wartest du also noch?«
»Nun, warum nicht? Du mußt dir aber trotzdem etwas überziehen, verstanden?«
»Wenn du es wünschst.« Verwirrt, aber gehorsam streifte sie in der Hütte, in der Fledelius noch geräuschvoll schlief, ein Kleid über, griff nach dem Angelgerät und tanzte vor Lockridge durch das Gehölz. Das kleine Boot, das an einem Baumstumpf vertäut war, sah unkompliziert aus, obwohl bei seinem Bau richtige Metallnägel verwendet worden waren. Auri beobachtete erstaunt, wie Lockridge ruderte, statt zu paddeln. »Sicher stammt das Boot aus Kreta«, sagte sie atemlos.
Er hatte nicht das Herz, ihr zu erklären, daß Kreta inzwischen von den Venetianern ausgeplündert und unterdrückt wurde und im nächsten Jahrhundert eine Invasion durch die Türken erwartete.
Er zog die Ruder ein, als offenes Wasser sie umgab. Auri warf die Angel aus, während Lockridge sich zurücklehnte und die Pfeife wieder in Brand setzte.
»Es ist ein seltsamer Brauch, dem du huldigst«, sagte Auri.
»Ich tue es nur zu meinem Vergnügen.«
»Kann ich auch einmal versuchen? Bitte!«
Sie drängte ihn, bis er nachgab. Heiser krächzend und mit Tränen in den Augen gab sie ihm die Pfeife zurück. »Nein. Zu stark für Mädchen wie mich.«
Lockridge lachte. »Ich habe dich gewarnt, meine Kleine.«
»Ich hätte auf dich hören sollen. Du hast immer recht.«
»Ich ...«
»Aber ich wünschte, du würdest mit mir nicht immer wie mit einem Kind sprechen.« Sie errötete und senkte die Augen. »Ich bin bereit, eine Frau zu sein, wann immer du es willst.«
In Lockridges Adern begann das Blut zu hämmern. »Ich habe versprochen, den Bann von dir zu nehmen«, murmelte er. »Du bist längst frei, es bedarf keiner weiteren Magie. Hm ... Reise durch die Unterwelt, verstehst du ... Wiedergeburt ...«
Ihr Gesicht strahlte vor Freude. Sie näherte sich ihm.
»Nein, nein, nicht«, sagte er verzweifelt. »Ich selbst – darf es nicht ...«
»Warum nicht?«
»Sieh dich um! Es ist nicht Frühling.«
»Ist das wichtig? Alles andere hat sich gewandelt. Malcolm, ich mag dich so gern!«
Sie preßte sich gegen ihn. »Ich werde dich verlassen müssen, Auri ...«
»Dann lasse mich mit einem Kind von dir zurück! Darüber hinaus will ich heute nicht denken.«
Er sah nur noch einen Ausweg. Er ließ sich von ihr gegen die Bootswand drängen, und das Boot kenterte. Als sie es wieder umgedreht und das Wasser ausgeschöpft hatten, beherrschten sie ihre Gefühle wieder. Auri sah das Kentern als göttliches Zeichen an und zeigte keine Enttäuschung. Sie schlüpfte aus ihrem nassen Gewand und kicherte, als Lockridge sich weigerte, ihrem Beispiel zu folgen. »Dann eben später, wenn du Avildaro befreit hast«, sagte sie.
Seine Miene verfinsterte sich. »Der Ort, den du kanntest, wird nicht wiederkommen«, sagte er. »Denke an alle, die fielen.«
»Ich weiß«, antwortete sie ernst. »Echegon, der immer so freundlich war, Vurowa, der immer Lustige, und so viele andere.« Aber was seitdem geschehen war, hatte sie von ihrem Kummer abgelenkt. Außerdem trauerten die Tenil Orugaray nicht so tief wie die, die nach ihnen kamen. Sie hatten gelernt, sich mit den Tatsachen abzufinden.
»Und du mußt immer noch mit den Yuthoaz rechnen«, sagte Lockridge. »Diesmal mögen wir imstande sein, diese
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