Korsar meiner Träume
kroch so nahe an den Rand der Lichtung heran, wie sie es nur wagte und schob dabei vorsichtig einige große Blätter aus dem Weg.
Die Kisten waren offen, die Deckel bloß nachlässig angelehnt. In ihrem Bett schlief ein Mann, zwei andere lagen auf der gegenüberliegenden Seite des Feuers und hatten sich in die Decken eingewickelt, die Nate eingepackt hatte. Die haben es sich dort ganz offensichtlich bequem gemacht , dachte Claire verbittert.
Schmutzige Teller und Tassen hatten man einfach beiseitegeworfen, und irgendetwas Pelziges war davon angezogen worden und kroch nun zwischen dem Geschirr herum. Schauer liefen Claire über den Rücken. Sie hatte zwar eine lange Zeit in den Wäldern gelebt, doch sie hatte sich nie an diese pelzigen Wesen gewöhnt, die durch die Nacht huschten. Oder auch bei Tageslicht, was das betraf.
Irgendetwas flatterte an ihrem Ohr vorbei, und Claire schüttelte den Kopf. Was zum Teufel dauerte da so lange bei Nate? War irgendetwas schiefgelaufen? War James oder einer seiner Männer ins Lager zurückgekommen und hatte Nate überrascht? Sie rutschte ein wenig näher und legte den Kopf zur Seite, um besser hören zu können. Das Feuer knackte und zischte, als verbranntes Holz auseinanderbrach. Funken tanzten gen Himmel. Die Männer schnarchten weiter. Claire rappelte sich auf die Knie. Sie würde bis zwanzig zählen, und falls Nate bis dahin nicht im Lager auftauchte, würde sie nach ihm suchen gehen.
Ein Schatten bewegte sich in den Bäumen auf der gegenüberliegenden Seite des Lagers. Ihr Herz machte einen Hüpfer. Sie wartete und hielt den Atem an. Äste teilten sich, und Nate trat leise auf die Lichtung. Blut sickerte aus einem Schnitt an seiner Unterlippe, und die gleiche blutrote Farbe tropfte von seinem Schwert. Er beugte sich vor und wischte die Klinge an einem Blatt ab. Seine Pistole steckte immer noch in seiner Hose.
Claire presste sich ihre Hand mit der Pistole darin aufs Herz, seufzte vor Erleichterung und stand auf. Wie sie es abgemacht hatten, hielt Nate Wache, während sie, als die kleinere und deshalb weniger leicht zu entdeckende, herumkroch und nach den Dingen suchte, die sie benötigten.
Als sie zu den Kisten schlich, war Claire froh, dass die Männer alles offen gelassen und geplündert hatten. Doch es war nicht viel übrig. Das Essen, das nur für zwei Leute hätte reichen sollen – und bereits schon zur Hälfte aufgegessen worden war, bevor das Lager eingenommen wurde – war nun fort. Ihre Kleider waren immer noch dort, ebenso wie ihr Hut, aber Claire kümmerte sich nicht darum. Die Decken wurden gerade benutzt, und auch die zusätzlichen Waffen und die Munition fehlten. Genauso wie der Feuerstein.
Claire deutete auf die schlafenden Männer, dann auf ihre Waffe. Nate riss die Augen auf und machte eine reibende Geste. Er wollte, dass sie sich auf den Feuerstein konzentrierte, nicht auf die Pistolen. Obwohl es gewiss sehr riskant war zu versuchen, nahe genug zu den Männern zu gelangen, um diese zu entwaffnen, gefiel der Gedanke Claire nicht, dass sie gerade durch deren Lager schlich und die Männer bewaffnet waren.
Auf leisen Sohlen schlich sie weiter. Im Bereich um das Feuer herum war nichts außer Asche und absterbendem Gras. Claire schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter und ging auf das schmutzige Geschirr zu. Obwohl sie es erwartet hatte, quietschte sie beinahe auf, als das Nagetier über ihre Stiefel flitzte. Schaudernd kniete Claire sich hin. Ein schneller Blick auf den Geschirrstapel sagte ihr, dass dort nichts von dem war, was sie suchte. Sie suchte weiter. Da sie es für wahrscheinlich hielt, dass der Feuerstein in der Nähe des Holzstapels lagerte, ging sie als Nächstes dorthin.
Offensichtlich hatten die Männer tagsüber Holz gesammelt. Der Haufen von Stöcken und Ästen war beinahe halb so hoch wie sie. Sie sah ihn sofort – die niedrigen Flammen reflektierten vom matten Grau des Feuersteins. Claire atmete tief aus, stopfte ihre Pistole in ihre Hose und streckte die Hand nach dem Feuerstein aus.
»He, du! Bleib -«
Claire wirbelte gerade noch rechtzeitig herum, um zu sehen, wie einem der Männer, die beim Feuer geschlafen hatten, die letzten Worte in der Kehle erstickten. Nate zog sein Schwert wieder heraus, und sein besorgter Blick begegnete ihrem Blick nur einen Augenblick lang, bevor die beiden anderen Männer mit gezogenen Waffen aufsprangen.
Alles, woran Claire denken konnte, war, dass die Männer keine Gelegenheit bekommen durften, ihre
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