Korsar meiner Träume
helfen zu können, aber sie konnte abdrücken, falls es nötig wurde.
Nates Gegner war zwar nicht so groß wie er, aber seine Arme waren ebenso kräftig. Obwohl der Mann eine tiefe Schnittwunde auf seiner Wange und eine weitere auf seinem Unterarm hatte, schien ihn dies in keinster Weise zu behindern. Nate warf einen Blick in Claires Richtung und als sich ihre Blicke begegneten, löste sich etwas von der Anspannung in seinen Schultern. Sofort richtete er seine Aufmerksamkeit wieder vollständig auf seinen Gegner.
Über die niedrig brennenden Flammen hinweg blitzten die beiden Schwerter in einem ständigen Rhythmus silbrig auf, den man mit dem stetigen Schlag des Hämmerns auf einen Amboss hätte verwechseln können, wenn man den Kampf nicht gesehen hätte. Allein beim Anblick ihres Zweikampfes schmerzten Claire die Muskeln. Die Gesichter beider Männer glänzten vor Schweiß. Ihre Füße rutschten mit jedem Angriff und jeder Parade vor und zurück. Sie sah keinen von ihnen auch nur blinzeln.
Plötzlich warf sich Nates Gegner zur Seite, wischte mit dem Fuß durch die immer noch brennenden Kohlen und trat die rotglühenden Stücke nach Nate. Claire keuchte, als sie Nates Hose und sein Hemd trafen. Er schien es nicht zu bemerken. Nate zeigte nicht, dass er irgendetwas gespürt hatte, sondern zog bloß seine Augen zusammen.
»Genug gespielt«, sagte er.
Mit einer Bewegung, die für Claire wenig mehr als ein unscharfes Wischen war, ergriff Nate seine Pistole und warf sie. Das Metall traf mit einem widerlichen Knirschen das Gesicht des Mannes. Claire schauderte. Der Mann ließ sein Schwert fallen, presste sich beide Hände auf die Nase und stöhnte vor Schmerzen. Blut schoss ihm zwischen den Fingern und unter den Handflächen hervor. Beinahe hätte er Claire leid getan.
Nate offensichtlich nicht. Er ging ganz einfach hinüber, packte seine Pistole und stopfte sie zurück in seine Hose. Dann nahm er sein Schwert und stieß es dem Mann in den Bauch und sah einfach zu, wie dieser hinfiel. Er hatte kaum den Boden berührt, als Nate sich umdrehte und zu Claire ging.
»Hast du den Feuerstein?«
Sie starrte Nate einen Moment lang verwirrt an, weil er so einfach weggehen konnte, ohne auch nur zu zögern oder einen Funken von Reue in den Augen zu haben.
»Ich, ähm, nein. Er ist dort drüben.« Sie deutete auf den Holzstapel.
»Hol ihn. Ich werde ihre Waffen holen.«
Sie nickte. Sobald sie das kühle Metall in der Hand hielt, sah sie hinüber zu Nate. Er hatte ihre Pistolen zusammengesucht und irgendwann auch ihre Tasche aus den Kisten genommen, denn jetzt schob er die Waffen hinein. Dann ging er zu dem Mann, den Claire getötet hatte, und stand einen Augenblick über ihm. Mit einem nassen, schlüpfrigen Geräusch zog er das Messer aus der Brust des Mannes. Er wischte es sauber und kam wieder zu ihr.
»Ist das deins?«
Sie nickte und nahm es entgegen, als er es ihr hinhielt. Sie stopfte es zurück in ihren Stiefel und wusste, sie würde es bei der ersten Gelegenheit ordentlich waschen. Mit Seife.
»Er hat dich doch nicht verletzt?«, fragte Nate und hob ihr Kinn mit seinen Fingern hoch.
Claire zuckte zusammen. Jetzt, wo sie einen Augenblick hatte, um darüber nachzudenken, kehrte das Pochen in ihrem Kiefer mit aller Macht zurück. Nates Augen verengten sich.
»Er hat mich am Kiefer getroffen.« Claire bewegte ihn vorsichtig, dann presste sie ihre Hand darauf, als Schmerzen wie ein Blitz durch ihr Gesicht zuckten.
Sein Blick wurde weicher.
»Und du warst doch gerade erst den blauen Fleck von Sid losgeworden.«
Er zog ihre Hand weg und küsste sie zärtlich auf die schmerzende Stelle. Es war ein solcher Kontrast zu dem Mann, der noch vor wenigen Augenblicken so mühelos getötet hatte. Sie hatte schon früher gewusst, dass er kalt sein konnte. Hatte sie nicht zugesehen, wie er James auf der Straße liegen ließ, nachdem er ihn bewusstlos geschlagen hatte? Hatte sie denn nicht selbst miterlebt, wie verletzend seine Worte sein konnten? Aber dies, diese mühelose Art, mit der er tötete, war nicht mit dem vergleichbar, was er früher getan hatte, und das beunruhigte Claire.
Was hatte Nate seit der Zeit im Waisenhaus nur getan, dass er jemandem einfach so das Leben nehmen konnte und dann ohne Gewissensbisse einfach so wegging?
»Wo zum Teufel ist er?«, murmelte James. Er stieß die Schaufel in die Erde, legte den Arm auf das Stielende und ließ seinen Kopf auf den Arm sinken. Sein Rücken schmerzte
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