Kosaken Liebe
Augen naß wurden. Gutes, armes Väterchen! Es ist so schön, daß du da bist …
Mit dem Stallmeister hatte Lupin seine liebe Not. Man brauchte keinen Pferdeknecht, als der er sich bewarb, und wenn, dann gab es in Orjol Männer genug; man wartete nicht auf einen Fremden aus dem fernen Süden.
»Ich bin auch ein Pferdearzt«, sagte Lupin mutig. »Das ist bei uns vererbt worden vom Vater auf den Sohn, solange wir denken können. Habt ihr schon einen Pferdearzt hier, na? Wie erkennt man, ob es das Gäulchen an der Galle hat?«
»Indem es grün scheißt!« brüllte der Stallmeister.
»Das kann auch der Klee sein, Hochwohlgeboren. Nein, im Auge sieht man es! Ich sehe einem Pferd in die Augen und weiß, wo die Krankheit sitzt. Wer kann das hier, ha? Solches Wissen kann man nur ererben!«
»Komm mit, du Schwätzer!« sagte der Stallmeister. Er führte Lupin zu einem Pferd, das mit hängendem Kopf im Stroh stand und sie traurig anglotzte. »Was hat es denn, na? Sieh es dir an! Wenn du mir keine Antwort gibst, peitsche ich dich aus!«
»Scheißt das Gäulchen grün?« fragte Lupin vorsichtig.
»Nein!« schrie der Stallmeister. »Blick ihm in die Augen.«
Lupin trat näher. Aber statt dem Pferd in die Augen zu blicken, hob er den Schwanz hoch und blickte dem Gaul in den Darm.
»Ist das ein Auge?« brüllte der Stallmeister und lief rot an.
»Wie man's nimmt, Hochwohlgeboren.« Lupin ließ den Schweif fallen. »Jedes Wesen ist wie eine Röhre mit verschiedenen Löchern. Das muß man kennen!« Er ging um das Pferd herum und klopfte ihm den Hals. Das Tier glotzte ihn wehmütig an. »Es hat eine Krankheit, die wir ›Das große Sausen‹ nennen! Hat das Gäulchen kräftig aus dem Darm geblasen?«
»Ja«, antwortete der Stallmeister verblüfft. »Ja, das hat es! Und seitdem wird es immer dünner!«
»Ihr Barbaren!« Lupin küßte das Pferd auf die Stirn. »Wenn ich hierbleibe, heile ich es.«
Es war eine denkwürdige Stunde. Alexander Grigorjewitsch Lupin wurde von Nikita Stroganow höchstpersönlich als Pferdearzt angestellt, nachdem der Stallmeister den jungen Herrn gerufen hatte, um sich das anzuhören. Lupin bekam eine Kammer neben dem Stall, freies Essen und Trinken und jeden Sonntag einen Rubel als Lohn. Außerdem verpflichtete er sich, im Kirchenchor mitzusingen. Eine hervorragende Stellung, die ihn fast mit dem Stallmeister gleichsetzte. Ein Pferdearzt!
Zufrieden und mit der Absicht, gleich Gott in der Kirche zu danken, verließ Lupin die Stallungen. Der weite Platz vor dem Herrenhaus war leer, die Kosaken waren schon in ihre eigens für sie erbaute neue Stadt abgezogen. Einige Knechte kehrten den Pferdemist zusammen. In der warmen Sommerluft hing noch der beizende Geruch von schwitzenden Pferdeleibern und ungewaschenen Menschen.
Ein Junge kam zögernd auf Lupin zu und starrte ihn fragend an.
»Bist du Alexander Grigorjewitsch?« fragte er dann.
»Ja.« Lupin wunderte sich. »Du kennst mich?«
»Nein, aber ich soll dir etwas geben. Von einem der Kosaken, der Teufel hole sie alle, die Banditen!« Der Junge öffnete die Finger. Auf der schmutzigen Handfläche schimmerte eine goldblonde, schmale Haarlocke.
Lupin atmete tief. »Ich danke dir«, sagte er heiser, nahm die Locke und wandte sich ab. Dann rannte er zurück in den Stall, drückte sich in eine Ecke, wo ihn niemand sehen konnte, und preßte die goldenen Haare an seine Lippen.
»Marinuschka …«, stammelte er. »Mein Engelchen! Mein Seelchen!«
Er weinte und küßte immer und immer wieder die schmale, armselige Locke.
Die ›Kosakenstadt‹ erwies sich als eine Ansammlung von Holzhütten, umgeben von einem hohen Holzzaun. Es gab Straßen darin, einen weiten Platz, Stallungen, Lagerhäuser, die Kirche – im Augenblick noch ein kahler Schuppen, was dem Kosakenpopen fast das Herz abwürgte –, ein Schlachthaus und eine Küche, ein Magazin, in dem drei Stroganowsche Beamte mit bleichen Gesichtern saßen. Sie hatten die böse Aufgabe übertragen bekommen, hier mit den Kosaken Handel zu treiben. Das war typisch für die Stroganows und ihre Berechnungen: die Rubel, die man als Sold zahlte, sollten von hier aus wieder zurückfließen.
Ja, und dann gab es noch das sogenannte Frauenhaus, ein großes, besonders massives Gebäude aus Rundstämmen und mit einem Steinfundament. Die Bewohnerinnen standen auf der Straße, als die Kosaken in mustergültiger Ordnung einritten, und winkten. Es waren Mädchen aller Rassen, meistens jedoch zartgliedrige Wogulinnen
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