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Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Titel: Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Deutschland würde man Sergej heute als Helden feiern und ihm zu seiner Widerstandshandlung gratulieren« sagt Murat. »Mich und Nermin mit ihrem Kopftuch hat man jedoch nur misstrauisch beäugt.«
      Schweigen tritt ein, und alle widmen sich dem Essen. Es schmeckt lecker, doch es ist nicht die Istanbuler Küche, an die wir uns in all den Tagen gewöhnt haben. Offenbar trifft Adriani dieselbe Feststellung, denn sie lässt Nermin durch mich fragen: »Ihr Essen ist wirklich köstlich, Frau Nermin, aber es ist ganz anders als alles, was wir bislang hier gegessen haben.«
      Nermin lacht auf. »Es ist anders, weil es keine türkischen Speisen sind, Mrs Haritos. Es sind deutsche. Kalbsrouladen mit Salzkartoffeln und Rotkohl. Murat mag die deutsche Küche sehr. Sehen Sie, er ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Ich bin hingekommen, als ich sieben war.« Sie macht eine Pause und fügt dann mit einer gewissen Bitterkeit hinzu: »Ich habe sogar deutsch kochen gelernt. Die Deutschen haben jedoch nichts von mir gelernt.«
      »Genau das meine ich. Minderheiten stehen immer unter Generalverdacht und tragen immer eine Kollektivschuld. Sowohl hier als auch in Deutschland«, sagt Murat zu mir. »Deshalb habe ich Ihnen erklärt, dass ich die Istanbuler Griechen besser verstehe als Sie. Weil ich die Erfahrung am eigenen Leib gemacht habe.«
      Nun tritt dasselbe wie in Griechenland in solchen Fällen ein: Traurige Geschichten bringen die Menschen einander näher. Adrianis Zunge löst sich zu meinem großen Leidwesen, da ich nun als Dolmetscher in die Pflicht genommen werde. Sie fragt Nermin, ob sie Kinder hätten, und als sie eine verneinende Antwort erhält, beginnt sie von Katerina, von Fanis und der bevorstehenden Hochzeit zu erzählen.
      Ich denke, der größte Gewinn, den ich von meiner Reise nach Istanbul mitnehme, werden meine verbesserten Sprachkenntnisse sein. Noch zwei Wochen, und ich spreche akzentfreies Oxfordenglisch.
      Erst gegen Ende des Abends gelingt es mir, Murat von meinem Besuch bei der Lazaridou zu berichten. Er hört mir kopfschüttelnd zu. »Wenigstens wissen wir jetzt, warum sie ihn umgebracht hat. Viel nützt es uns jedoch nicht«, meint er.
      Zum Abschluss des Abends besteht Murat darauf, uns zum Hotel zu fahren. Sein Wagen ist ein deutsches Fabrikat, ein Opel Corsa. Nun, alles andere hätte mich auch sehr gewundert.
     
     

* 24
     
    Das sicherste Mittel, mir die morgendliche Laune zu verderben, ist das Schrillen des Telefons, während ich mir noch völlig benebelt den Schlaf aus den Augen reibe. Selbst im Fall eines erfreulichen Anrufs hält meine Verdrießlichkeit dann stets den ganzen Tag über an. Vlassopoulos und Dermitsakis, meine beiden Assistenten auf der Dienststelle, haben das begriffen, und jedes Mal, wenn sie mich misslaunig ins Büro stürmen sehen, fragen sie: »Hat Sie ein Anruf geweckt, Herr Kommissar?«
      Es schrillte um acht Uhr morgens, als ich gerade beim Rasieren war, und Gikas war dran. »Ich wollte nur sagen, dass ich mich um die Bezahlung der Rückfahrt gekümmert habe, auch für die Ihrer Frau. Ebenso ist der Hotelaufenthalt Ihrer Frau für den ganzen Zeitraum gedeckt, den Sie beide noch in Istanbul bleiben.«
      Er verstummt und wartet auf meine Reaktion. Wir beide wissen, dass sein plötzlicher Aktionismus meinem gestrigen Wutanfall geschuldet ist und mich ruhigstellen soll. Gleichzeitig jedoch verlangt er Dankbarkeit für seine Geste, da er unsere Städtereise zur Hälfte in eine Dienstreise umwandelt und meine finanzielle Belastung mildert.
      »Na schön, nicht schlecht«, sage ich halbherzig, um ihm von meiner Warte aus zu zeigen, dass ich sein Entgegenkommen zwar schätze, ihm dafür aber kein Denkmal setze.
      »Wann ist Katerinas Hochzeit?«
      »Am übernächsten Sonntag. Haben Sie keine Einladung bekommen?«
      »Die wird bei Koula liegen.« Es folgt eine Pause, und danach ergreift er in dienstlicherem Tonfall das Wort. »Es gäbe natürlich auch noch eine andere Variante.«
      »Und zwar?«
      »Sie kommen zur Hochzeit Ihrer Tochter nach Athen und kehren danach für weitere Ermittlungen nach Istanbul zurück.«
      Mir ist klar, dass das eine indirekte, aber wirkungsvolle Drohung ist: Wenn du jetzt aufmuckst, mein Lieber, schick ich dich gleich noch mal nach Istanbul. Soll er doch »mit dem Säbel rasseln«, wie meine altjüngferliche Patentante zu sagen pflegte, denn wenn sich der Fall nicht innerhalb der nächsten

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