KR165 - Ich gewann das tödliche Spiel
Hände und hatte Glück, daß ich nicht mit dem Kopf auf eine Schiene schlug.
Dann rannte ich.
Ich hätte bei jedem Schritt laut schreien mögen. Ich bin ein Großstädter und kein Afrikaner, der vom ständigen Barfußlaufen Schwielen an den Füßen hat, die dicker sind als bestes Kernleder. Ich hätte bei diesem Eiertanz über den Schotter glatt das Einkommen eines ganzen Monats für ein paar Schuhe gegeben, aber es war niemand da, dieses Geschäft mit mir zu machen.
Ich lief wie ein Hase, hinter dem die Hunde sind, und erst als ich weit genug war, um ihnen kein Ziel mehr für einen sicheren Schuß zu bieten, da blieb ich stehen und sah mich um.
Sie kamen mir nach. Der eine war schon auf dem Bahngelände, der zweite hing noch an meinem Fenster und ließ sich jetzt eben fallen.
Ich mußte weiter.
Es war eine scheußliche Jagd, die scheußlichste, die ich je mitgemacht habe, denn zu allen Übeln kam noch eines hinzu.
Die Subway ist elektrifiziert. In der Mitte eines Schienenpaares läuft die Stromschiene, und wer sie berührt, der ist schneller tot als auf dem elektrischen Stuhl.
Das Gelände mochte zwölf oder zehn Schienenpaare haben, die untereinander mit Weichen verbunden waren. Ich wäre gern in Richtung auf den Bahnhof gelaufen, denn dort hätte ich sicher Menschen getroffen, aber ich konnte es nicht wagen, denn dann lief ich schräg zu ihnen, und sie schnitten mir den Weg ab.
Ich rannte noch ein Stück. Es knallte hinter mir und zwei Schritte seitwärts stob der Schotter auseinander. Dann begannen plötzlich die Schienen zu dröhnen, erst leise, dann lauter und immer lauter.
Ich warf den Kopf zur Seite. Aus der Dunkelheit kamen zwei Lichter wie die riesigen Augen eines bösen Tieres herangebraust. New Yorks Sub fährt mit Schnellzuggeschwindigkeit.
Der Zug, wahrscheinlich der erste Frühwagen, brauste heran. Es war noch völlig unerfindlich, auf welchem Geleise er fuhr.
In dieser Entfernung sah es aus, als renne er genau auf mich zu.
Ich erstarrte, bereit, zur Seite zu springen, sobald ich Sicherheit hatte, daß es mein Gleis war, auf dem er sich bewegte. Ich sah mit einer schnellen Kopfbewegung, daß auch meine Verfolger erstarrt waren und genau wie ich dem heranbrausenden Zuge entgegensahen.
Er heulte näher, war jetzt schon ganz nahe. Nein, er benutzt nicht das Gleis, auf dem ich stand. Schon konnte ich die dunklen Umrisse der Wagen erkennen, die erleuchteten Abteile, aber immer noch wirkte die Wagenschlange wie ein lebendiges, bösartiges, aufs höchste gereiztes Tier.
Da – ein Ruckeln lief durch den ganzen Zug, die Räder polterten anders. Er hatte eine gestellte Weiche passiert, änderte die Fahrbahn, nahm die Schienen weiter links.
Und dann stand plötzlich ein schriller Schrei spitz in der Luft, ein Schrei, der selbst das Donnern der Sub übertönte.
Für Sekundenbruchteile sah ich im Scheinwerfer der Lok einen Mann, der die Arme hochgerissen hatte und sich verzweifelt zur Seite warf. Und plötzlich war eine bläuliche, zuckende Helle wie ein Blitz, der an der Erde entlanglief.
Der Mann, der vor dem Zug fortgesprungen war, mußte gestürzt sein und die Stromschiene des Nachbargleises berührt haben.
Ich lief weiter, setzte über die Schienen, erreichte den Drahtzaun, der auf der anderen Seite das Subway-Gelände von der Straße abschloß.
Ich klammerte mich an den Draht. Sie glauben nicht, wie fertig ich war, aber ich mußte rüber.
Ich setzte die Fußspitzen in die groben Maschen, zog mich hoch, erreichte den oberen Rand.
Es schien mir, als ging das alles unendlich langsam, und als müsse der Mann, der mich zu töten gedachte, jeden Augenblick heran.
Der Mann kam nicht. Statt dessen hörte ich viele Stimmen und das Geräusch eiliger Stiefel.
Die Beamten im nahen Bahnhof mußten den Kurzschluß auf der Strecke bemerkt haben. Vielleicht hatten sie auch die Schüsse gehört. Jedenfalls sie kamen.
Ich hatte den Rand des Drahtzaunes erreicht. Es war jetzt gleichgültig, ob ich mich auf der einen oder anderen Seite heruntergleiten ließ. Ich rutschte zur Straße hinab, fiel auf das Gesicht und blieb erst einmal liegen.
Haben Sie einmal bei einem Boxkampf zugeschaut, wenn einer zum dritten oder vierten Mal zu Boden gegangen ist, wieder aufstehen will und nicht mehr aufstehen kann? Vielleicht haben Sie dann die richtige Vorstellung davon, wie ich auf dem Boden herumtaumelte. Ich kam gerade bis auf die Knie, höher schaffte ich es nicht mehr. Und wie ich mich so abmühte, wurde ich
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