Kräuterquartett 01 - Das Rascheln von Rosmarin
strich den langen Umhang über ihrer Brust glatt, „und jetzt ist es längst Zeit für mich diesen Pflichten nachzukommen. Ich habe Euch lange genug von Eurer Arbeit abgehalten.“
„Nein, Mylady, Ihr habt mich von rein gar nichts abgehalten“, erwiderte Dirick da schnell, wobei er tief in der Wärme seiner Tunika die Hände aneinander rieb. Es war recht frostig auf dieser Seite des Burghofes, wo der kleinste Luftzug sich zu verfangen schien, um dort dann wild herumzutollen.
Maris lächelte. „Sehr wohl, Sir. Aber ich muss zur Messe und dann zu meinen Pflichten.“ Sie drehte sich um und ging dann in Richtung der winzigen Kapelle auf Langumont.
„Mylady.“ Er klebte an ihren Rockschößen, als zöge ihn ein Seil. Sie drehte sich um und er kam sich lächerlich vor. „Lady Maris, ich weiß nicht, wo die Kapelle ist, und ich benötige die Absolution“, sagte er.
Sie zeigte mit ihrer Hand nach vorne. „Kommt also mit zur Messe und Vater Abraham, unser Priester, wird sich um Euch kümmern.“
„Sehr gerne, Mylady, Ihr habt meinen Dank.“
~*~
Verna kroch die dämmrigen, kalten Stufen hoch, die zu den oberen Gemächern des Donjon führten. Die Geräusche von Betriebsamkeit und allerlei Geschäftigkeit unten drangen gedämpft zu ihr nach oben. Und obwohl sie lauschte, ob da auch die Stimme ihrer Herrin dabei war, wusste sie, dass Lady Maris zu ihrer Arbeit im Dorf aufgebrochen war und in den nächsten Stunden nicht wiederkehren würde.
Auf dem Stockwerk über der großen Halle gab es mehrere Gemächer. Die schienen wie eingelassen in die hohen Steinmauern. Es gab da Lady Allegras Kemenate, wo meist die Näherinnen arbeiteten, das Privatgemach des Lord und seiner Lady, mehrere kleine Kammern für wichtige Gäste und, zu guter Letzt, auch das Zimmer, zu dem es Verna zog.
Das Gemach von Lady Maris war das letzte hinten im engen, schlecht beleuchteten Gang. Daran schloss sich eine kleine Vorkammer an, wo Verna nächtigte, wenn sie nicht in männlicher Gesellschaft schlief, denn Maris verlangte nicht, dass sie ihr jede Nacht zur Hand war, wie Lady Allegra es von ihrer Zofe verlangte.
Still und leise durchquerte Verna die kleine Vorkammer, schlich dort um die schmale Schlafstatt herum, auf der großzügig drei Kissen und eine Auswahl von Decken lagen, und öffnete die schwere Tür zum Hauptgemach.
In einer Ecke befand sich ein großes Bett, dessen Vorhänge nunmehr zurückgezogen waren, was den Blick auf eine dicke Überdecke aus Fell freigab, sowie auf ein Vielfaches an Kissen im Vergleich zu Vernas magerem Bett. Links von dem Bett befand sich in der Wand der schmale Schlitz eines Fensters – gerade breit genug, dass eine Hand hindurchpassen würde. Ein zweites Fenster war auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers angebracht. Beide Fensterschlitze waren mit dicken, schweren Teppichen verhangen, um den bitterkalten Winter aus dem Zimmer zu bannen.
In die den beiden Fenstern gegenüber liegende Wand hatte man eine Feuerstelle eingehauen und ein kleines Feuer brannte darin. Eine der vielen Aufgaben von Verna war es, jede Nacht die kleinen, züngelnden Flammen genau dann zu einem lauten Prasseln anzuheizen, wenn ihre Herrin sich auf den Weg nach oben zu ihren Gemächern machte. Eine große Truhe stand am Fuße des Bettes und eine zweite neben der Feuerstelle erfüllte auch den Zweck eines Tisches. Ein Hocker und ein Stuhl mit gerader Lehne vervollständigten die Einrichtung des Zimmers.
Verna huschte auf leisen Sohlen durchs Zimmer, ihre Füße raschelten leise in dem auf dem Steinboden ausgebreiteten Stroh. Sie stocherte kurz in der Glut herum, legte noch zwei Scheit auf die etwas zögerlichen Flammen und wandte sich dann der Truhe am Bettende zu.
Sie kniete sich davor nieder und öffnete die schwere Holztruhe. Darin befanden sich haufenweise Stoffe aus Seide und Samt, Wolle und Leinen, in klar leuchtenden Farben und von ausgesucht komplizierter Stickerei. Langsam ließ sie eine Hand darüber gleiten, zerknitterte kurz einen flaschengrünen Seidenbliaut mit einer Hand. Ihr Mund war nun seltsam verzerrt und sie stand auf, zog den Bliaut mit sich hoch. Er fiel in einer Kaskade von Seide bis zu ihren Füßen hinab. Sie wusste, dieses Grün würde ihr blassblondes Haar und ihre grünen Katzenaugen gut ergänzen.
Einen Moment lang stand sie nur so da, strich mit der Hand an der Seide vor ihrer Brust entlang, stellte sich vor, wie sie wohl aussähe –
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