Kraft des Bösen
drückte noch fester zu und bemerkte nicht einmal, wie das Blut von seinem eigenen zerschundenen Gesicht tropfte und das dunkle Gesicht und die hervorquellenden Augen des Standartenführers besudelte.
Eine unmeßbare Zeitspanne verging, bis Saul klar wurde, daß der Standartenführer tot war. Saul hatte die Finger so tief in den Hals des Monsters vergraben, daß tiefe Furchen im Fleisch zurückblieben, wie die Abdrücke des Bildhauers in weichem Ton, als er die Finger löste. Willis Kopf war zurückgestreckt, der Adamsapfel eingedrückt wie spröde Plastikmasse, die aufgequollenen Augen glotzten blicklos aus einem schwarz angelaufenen Gesicht. Tom Reynolds lag tot auf dem Feld daneben, sein Gesicht war eine verzerrte Karikatur des Todeskampfs seines Meisters.
Saul spürte, wie seine letzten Kraftreserven aus ihm herausflossen wie Wasser aus einem durchlöcherten Gefäß. Er wußte, Harod hielt sich noch irgendwo in dem Raum auf und mußte erledigt werden, aber jetzt noch nicht. Vielleicht nie.
Als sein Bewußtsein zurückkehrte, kehrten auch die Schmerzen zurück. Sauls rechte Schulter war gebrochen und blutete und fühlte sich an, als würden gebrochene Knochensplitter aneinanderreiben. Brust und Hals des Standartenführers waren mit Sauls Blut bespritzt, das einen blassen Umriß auf den Hals des alten Mannes malte, wo Sauls Hände gewesen waren.
Zwei weitere Explosionen erschütterten das Herrenhaus. Rauch quoll in den großen Saal. Zehntausende Glasscherben reflektierten Flammen von irgendwo hinter Saul. Er spürte die Hitze im Rücken und wußte, er sollte aufstehen, nach dem Grund für die Hitze sehen und hinausgehen. Aber noch nicht.
Saul drückte die Wange auf die Brust des Standartenführers und ließ sich von der Schwerkraft nach unten ziehen. Draußen, vor der zerschellten Verandatür, ertönte wieder ein Geräusch, aber Saul achtete einfach nicht darauf. Er war damit zufrieden, einen Moment auszuruhen, und brauchte nur ein kurzes Nickerchen, bevor er sich auf den Weg machte. Saul machte die Augen zu und ließ sich von der warmen Dunkelheit forttragen.
75. Kapitel
Dolmann Island: Dienstag, 16. Juni 1981
»Also, das war’s«, sagte der Pilot.
Kaum hatte das Bombardement aufgehört, hatte Meeks die Cessna tiefer über die Landebahn gesteuert. Die Schüsse selbst hatten nur kleinere Krater gerissen, denen ein guter Pilot mit etwas Glück ausweichen konnte, aber am südlichen Ende waren zwei Bäume auf den Asphalt gestürzt, und am nördlichen Ende brannte lodernd Kerosin. Auf dem Rollfeld stand ein Privatjet lichterloh in Flammen, mehrere andere brennende Flugzeuge verstopften den Parkbereich und den Haufen Asche und Balken, die einmal der Hangar gewesen waren.
»Das Spiel ist aus«, sagte Meeks. »Wir haben es versucht. Die Treibstoffanzeige sagt, es wird Zeit, nach Hause zu fliegen. Wir müssen auch so schon mit den letzten Tropfen zurückfliegen.«
»Ich habe eine Idee«, sagte Natalie. »Wir können anderswo landen.«
»Nn-nnn«, sagte Meeks kopfschüttelnd. Der Schirm der blauen Baseballmütze bewegte sich langsam hin und her. »Sie haben den Strand im Norden gesehen, als wir vor ein paar Minuten vorbeigeflogen sind«, sagte er. »Die Flut und der Sturm haben ihn praktisch verwüstet. Keine Chance.«
»Er hat recht, Nat«, sagte Jackson müde. »Hier können wir nichts mehr tun.«
»Der Zerstörer .« begann Meeks.
»Sie haben selbst gesagt, daß der inzwischen fünf Meilen östlich der Südostspitze sein muß«, schnappte Natalie.
»Aber er hat lange Zähne«, sagte Meeks. »Woran denken Sie denn, um Gottes willen, Mädchen?«
Sie näherten sich dem südlichen Ende der Landebahn nach der dritten Umkreisung. »Nach links«, sagte Natalie. »Ich zeige es Ihnen.«
»Das kann nicht Ihr Ernst sein«, sagte Meeks, während sie hundert Meter von den Klippen entfernt kreisten.
»Ich finde, es ist perfekt«, sagte Natalie. »Machen wir es, bevor das Boot zurückkommt.«
»Schiff«, verbesserte Meeks automatisch. »Und Sie sind verrückt.«
Auf der Klippe, wo sich die Rakete vor zwanzig Minuten selbst zerstört hatte, brannte immer noch Gestrüpp. Der Himmel im Westen wurde von der brennenden Startbahn erhellt. Drei Meilen hinter ihnen schwelten noch Trümmer der Antoinette wie Glut auf schwarzem Stoff. Nachdem der Zerstörer mit der Landebahn fertig war, war er an der Küste entlang nach Osten zurückgekommen und hatte mindestens ein halbes Dutzend Explosivgeschosse in und um das
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